Deutschland: EU-Entwaldungschampion mit schmutzigem Stromnetz

Deutschland: EU-Entwaldungschampion mit schmutzigem Stromnetz
Luftbild der laufenden Waldrodungen im brasilianischen Amazonasgebiet. Dort treiben globale Wertschöpfungsketten die landwirtschaftlichen Aktivitäten immer tiefer in das wertvolle Ökosystem. © EJF

Deutschland: EU-Entwaldungschampion mit schmutzigem Stromnetz – obwohl es globaler Vorreiter sein könnte

Ein Kommentar von Steve Trent, Geschäftsführer der EJF

Die Bundesrepublik hat sich in letzter Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert: Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Ember Climate belegt, dass Deutschland die größte Kohlenation Europas ist. Hinzu kommt ein zweiter vernichtender WWF-Bericht: Innerhalb der EU sind die Deutschen mit Abstand größter Treiber globaler Waldzerstörung. Düstere Titel, doch wenn sich Deutschland anstrengt, könnte es künftig eine Führungsrolle beim Klimaschutz und beim Thema Umweltgerechtigkeit einnehmen.

Anhaltende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen Spätestens

2038 soll in Deutschland das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Dank des European Green Deals könnte es mit der Verschärfung des EU-Klimaziels noch einmal deutlich schneller gehen. Diese optimistischen Aussichten verblassen leider vor den Ergebnissen der neuen Ember-Analyse des Nationalen Energie und Klimaplans (NECP).

Die Bundesrepublik ist Spitzenreiter der G20 bei Wind- und Solarstrom: 33% unseres Stroms produzieren wir aus Wind und Sonne – mehr als das Dreifache des weltweiten Durchschnitts. Gleichzeitig erzeugen wir immer noch 44% unseres Stroms aus fossilen Brennstoffen

2020 war Deutschland auf Platz 11 der weltweit größten Produzenten von Kohlestrom – eine Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr. Grund zur Freude besteht trotzdem nicht. Zwar ist die Kohleverstromung in Deutschland seit 2015 deutlich zurückgegangen. Sie hat aber weiterhin einen Anteil von 24% am Strommix – mehr als in Russland und den USA.

Das Pantanal, das größte Feuchtgebiet der Welt, ist durch illegale Rodungen für die Viehzucht und Landwirtschaft gefährdet: Schätzungen zufolge ist bis Ende Oktober 2020 eine Fläche niedergebrannt, die größer ist als Belgien. © EJF

Waldzerstörung: Trauriger Treppchen-Platz für Deutschland

Von 2005 bis 2017 hat die EU 3,5 Millionen Hektar Wald vernichtet – vor allem durch Importe von Soja, Palmöl und Rindfleisch. Mit 16% Anteil an der handelsbedingten Waldzerstörung landet die EU insgesamt auf Rang zwei hinter China (24%) und damit sogar noch vor Indien (9%) und den USA (7%).

Für Deutschland fällt das Ergebnis innerhalb der EU noch schlechter aus: Tatsächlich ist die Bundesrepublik in absoluten Zahlen mit Abstand größter Treiber der globalen Entwaldung.

Mehr Mut, mehr Wille, mehr Tempo

Diejenigen, die am wenigsten zu den Treibhausgasemissionen beitragen, spüren die Folgen der Klimakrise als erstes und am stärksten. Längst steht fest, dass Deutschland als führende Industrienation eine besondere Verantwortung dafür trägt. Es ist Zeit, die mutlose Ära der Klimapolitik zu überwinden und das Zeitalter globaler Klimagerechtigkeit einzuläuten.

Deutschland muss seine Wirtschaft vollständig dekarbonisieren. Die Frage ist, wie viel Zeit sich Entscheidungsträger*innen noch lassen wollen – ein Faktor, der angesichts zunehmender Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen nicht auf unserer Seite ist.

Wenn in Brasilien die Regenwälder brennen, ist der Aufschrei in Deutschland groß. Dabei trägt die Handelspolitik der EU und ihr Konsum maßgeblich dazu bei, dass Wälder auf der ganzen Welt zerstört werden.

Mit dem derzeitigen Import von Agrarrohstoffen raffen wir nicht nur wertvolle Lebensräume dahin und befeuern damit die Klimakrise. Wir geben auch unser Einverständnis dafür, dass die Artenvielfalt im Reißwolf landet und Menschenrechte vor unseren Augen verletzt werden.

Jene, die für Umwelt- und Klimagerechtigkeit kämpfen, müssen in vielen Teilen der Welt um ihr Leben fürchten. Ihre Stimmen dürfen nicht länger ignoriert werden. Die voranschreitende Klimakrise und die Vernichtung wertvoller Lebensräume bedrohen die grundlegenden Rechte der direkt Betroffenen und sie gefährden die Zukunft von uns allen.

Als fortschrittliche, wohlhabende Nation sollte die deutsche Bundesrepublik die Forderung nach Klima- und Umweltgerechtigkeit mutig anführen und Klimaschutz, Entwicklung und Menschenrechte endlich zusammenbringen. Es ist Deutschlands Verantwortung – gegenüber unserer Erde, gegenüber heutigen und gegenüber künftigen Generationen.

Environmental Justice Foundation

Über den Autor:

Steve Trent ist Gründer und Direktor von EJF und verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Bereich Umweltschutz sowie im Bereich Interessensvertretung. Er selbst hat bereits mehrere verdeckte Untersuchungen durchgeführt und Kampagnen in über 30 Ländern geleitet, darunter in Bangladesch, Brasilien, Kambodscha, Ecuador, Indonesien, Liberia, Sierra Leone, Thailand und Vietnam.

Steve ist Mitbegründer und Präsident von WildAid, wo er Programme zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Wildtieren in China und Indien leitete. Zuvor war er Kampagnendirektor bei der Environmental Investigation Agency (EIA).

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