Globaler Klimaschutz ist weitgehend gescheitert

Globaler Klimaschutz ist weitgehend gescheitert
faz.net: Der Treibhausgasausstoß hat vergangenes Jahr einen neuen Rekordwert erreicht. Was jetzt zu tun ist – auch von Schwarz-Rot.
Die Klima- und Energiepolitik wurde im zurückliegenden Bundestagswahlkampf von den Demoskopen nicht an der Spitze der wahlentscheidenden Themen gesehen, gehörte aber zu den umkämpften Politikfeldern. Gründe dafür waren hohe Energiekosten sowie die zusehends schwierige Lage der Industrie in Deutschland. Im Umfeld der Koalitionsverhandlungen mangelte es nicht an Vorschlägen und Gegenvorschlägen von Wissenschaft, Industrieverbänden und Energiewirtschaft – auch in der F.A.Z.
Bei nüchterner Betrachtung findet die neue Bundesregierung eine ambivalente Ausgangslage im eigenen Land sowie einen faktischen Stillstand des Klimaschutzes auf globaler Ebene vor. So ist die Energiewende in Deutschland einerseits durch Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien, nicht zuletzt bei Flächenausweisungen für Windenergieanlagen an Land, gekennzeichnet. Andererseits droht eine Explosion der Systemkosten (Stromnetze, Speicher).
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Für die Industrie ist der Umbau hin zu klimaneutralen Produktionsverfahren überaus herausfordernd, und die globale Vorreiterrolle stößt an Grenzen. Die größte Lücke zwischen Ambition und Wirklichkeit besteht aber auf globaler Ebene. Der Klimaschutz, wie er seit nun gut zwanzig Jahren von der Weltgemeinschaft betrieben wird, ist weitgehend gescheitert. Der Treibhausgasausstoß hat vergangenes Jahr einen neuen Rekordwert erreicht. Schlimmer noch: Nicht nur dass sich der lange angekündigte Gipfelpunkt der Förderung und Verbrennung fossiler Brennstoffe nicht einstellt, tatsächlich hat die Öl- und Gasindustrie ihre Transformation hin zu einem klimaneutralen Energiesystem 2024 weitgehend eingestellt.
Kostenminimierung im Stromsektor
Vor diesem Hintergrund enthält der Koalitionsvertrag im achtseitigen Abschnitt zu Klima und Energie vornweg das Bekenntnis zur Klimaneutralität im Jahr 2045. Schlagwortartig haben das Gros der diskutierten Maßnahmen zu mehr Kosteneffizienz der Energiewende sowie seit Längerem anstehende Gesetzesvorhaben Eingang in den Vertrag gefunden, ohne dass daraus schon ein wirklicher Fahrplan entstanden wäre.
Eines der Verhandlungsergebnisse scheint im Text gar nicht auf: Es bleibt beim Atomausstieg. Erstaunlich konkret ist die Einigung zum lange umstrittenen Industriestrompreis. Dagegen findet sich im gesamten Vertrag wenig zur künftigen internationalen Klimapolitik Deutschlands. Die neue Bundesregierung wird damit zurechtkommen müssen, dass die Zuständigkeiten in der Klima- und Energiepolitik über mehrere Ministerien verteilt sind.
Um in den zentralen Punkten erfolgreich zu sein, muss sie den Raum, den ihr der Koalitionsvertrag lässt, konsequent nutzen. Um das so wichtige Ziel möglichst niedriger Strompreise zu erreichen, wird die neue Bundesregierung über den Wortlaut des Vertrages hinausgehen müssen.
Neue Studien aus Industrie und Energiewirtschaft zeigen auf, dass signifikantes Einsparungspotential etwa durch die Redimensionierung des Offshore-Windausbaus, der heimischen Erzeugung von Wasserstoff und von Großspeichern besteht. Dass dies gegebenenfalls mit einem vermehrten Ausbau (wasserstofffähiger) Gaskraftwerke verbunden wäre, mag gewöhnungsbedürftig sein. Aber es wird auf niedrige Stromkosten ankommen, auch als Treiber der Elektrifizierung. Die Evaluierung des Mengengerüsts aller Maßnahmen ist essenziell – über die der Stromnachfrage bis 2045 hinaus.
Die Industrie bedarf künftig sowohl der Wasserstofftechnologie als auch der CO2-Abscheidung (CCS). Man wird aber gut daran tun, neuere Erkenntnisse zu berücksichtigen. Da nicht absehbar ist, wann ausreichend klimaneutraler Wasserstoff zu tragfähigen Preisen verfügbar sein wird, könnte der CCS-Technologie eine noch größere Rolle zukommen. Im Koalitionsvertrag ist ihr erweiterter Einsatz bereits angelegt. Auch hier bedarf es einer entsprechenden Evaluierung, schon um zeitnah mit dem Bau des erforderlichen CO2-Transportnetzes beginnen zu können… weiterlesen