Hunger – das grösste lösbare Problem der Welt

Hunger – das grösste lösbare Problem der Welt
nzz.ch: Bis zu 811 Millionen Menschen auf der Welt hungern. Es wäre vergleichsweise einfach, dieses globale Problem zu lösen. Es braucht dafür aber den politischen Willen, und dies wiederum ist ohne die nötige mediale Aufmerksamkeit kaum zu erreichen.
Seit dem Krieg in der Ukraine ist die Getreideausfuhr dieses bedeutenden Weizenproduzenten nicht mehr sichergestellt. Die globalen Weizenpreise haben sich innerhalb eines Jahres fast verdoppelt, und es drohen drastische Engpässe in der Nahrungsmittelversorgung in zahlreichen Regionen der Welt. Am stärksten gefährdet sind die Länder, die ohnehin schon unter Hunger zu leiden haben. Es kündigt sich eine gewaltige Katastrophe an, könnte man denken.
Mangelndes öffentliches Interesse verhindert aber eine effektive Lösung des Problems.
Dramatische Zahlen von Hungernden
Nachdem die Zahl der Hungernden viele Jahre lang sank, steigt sie seit etwas mehr als fünf Jahren wieder. In Afghanistan beispielsweise leiden mehr als 23 Millionen Menschen (und damit mehr als die Hälfte der Bevölkerung) im Land unter akutem Hunger. Auch in Syrien und in Jemen bleibt die Ernährungslage weiterhin katastrophal. In Ostafrika haben laut dem Welternährungsprogramm der Uno (WFP) mehr als 80 Millionen Menschen nicht genug zu essen.
Lesen Sie auch:
Die Gesamtlage ist ebenso erschreckend: Laut dem Uno-Welternährungsbericht ist die Zahl der chronisch Hungernden im Jahr 2020 weltweit auf bis zu 811 Millionen Menschen gestiegen. Damit hungert etwa jeder zehnte Mensch auf der Welt. Über zwei Milliarden Menschen leiden unter Mangelernährung. Alle dreizehn Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen von Hunger, in einem Jahr sind es also fast 2,5 Millionen Kinder.
Die Welthungerhilfe weist auf vielfältige Ursachen von Hunger und Mangelernährung hin. Hierzu gehören Armut, Kriege und Konflikte sowie Naturkatastrophen wie Dürren oder Überschwemmungen, deren Zahl mit dem Klimawandel zunimmt. Durch das Bevölkerungswachstum ist anzunehmen, dass die Zahl der Hungernden steigen wird.
Dass es auch anders geht, zeigen die Erfolge der Bekämpfung des globalen Hungers in den vergangenen Jahrzehnten. Zwischen 2003 und 2015 sank die Zahl der Hungernden von fast 950 Millionen Menschen kontinuierlich auf rund 780 Millionen Menschen. Und eigentlich liegen die Pläne für die Bekämpfung des globalen Hungers in den Schubladen der Hilfsorganisationen und humanitären Einrichtungen bereit. Was sichergestellt werden muss, ist ein stabiler Geldfluss.
Es braucht den politischen Willen
Schätzungen gehen davon aus, dass die vergangenen Rekordernten ausreichen würden, um bis zu 14 Milliarden Menschen zu ernähren. Die Berechnungen, wie viel Geld notwendig wäre, um den Hunger auf der Welt zu besiegen, divergieren und richten sich auch nach den jeweiligen konkreten Zielsetzungen. Laut internationalen Studien werden global jährlich 12 Milliarden Dollar zur Hungerbekämpfung ausgegeben. Zusätzliche 14 Milliarden Dollar pro Jahr könnten bis 2030 etwa 500 Millionen Menschen aus Hunger und Fehlernährung befreien.
Grundlage hierfür ist eine politische und öffentliche Bereitschaft, die entsprechenden Massnahmen mitzutragen. Solange Katastrophenmeldungen wie etwa, dass täglich über 6600 Kinder unter fünf Jahren verhungern, für alltäglich genommen werden und ihren Status als berichtenswerte Nachricht verlieren, wird dieses fundamentale Problem politisch nur randständig betrachtet und ist im alltäglichen Bewusstseinshorizont der Menschen nicht existent.
Das Beispiel Klimawandel hat gezeigt, dass signifikante Massnahmen von politischen Entscheidungsträgern manchmal erst als ultimativ notwendig wahrgenommen werden, nachdem das Thema auch von den Medien immer wieder in den öffentlichen Diskurs eingebracht wird. Ähnliches gilt es nun für den globalen Hunger zu leisten. Auch dieses Thema müsste eine allgemeine Bekanntheit und somit mehr mediale Alltagspräsenz erhalten. Hiervon sind wir aber weit entfernt. In der Nachrichtensendung mit der grössten Reichweite im deutschsprachigen Raum, der deutschen «Tagesschau», griffen im Jahr 2020 lediglich 9 der insgesamt über 3000 ausgestrahlten Beiträge (ohne Sport und Wetter) das Thema Hunger auf. Zum Vergleich: Mit der Corona-Pandemie beschäftigten sich im selben Zeitraum fast 1300 Beiträge.
Die Vernachlässigung des Themas hat leider Routine. Nehmen wir zum Beispiel das Jahr 2011: Wir alle erinnern uns an die Kernreaktor-Katastrophe von Fukushima, an die griechische Staatsschuldenkrise oder an den sogenannten Arabischen Frühling. Dass im selben Jahr am Horn von Afrika in Somalia fast 260 000 Menschen verhungert sind, gehört dagegen zu den vergessenen Katastrophen, weil hierüber in den Medien kaum berichtet wurde… weiterlesen