Klima-Endspiel: Erkundung katastrophaler Klimawandelszenarien

Klima-Endspiel: Erkundung katastrophaler Klimawandelszenarien
Aralsee Foto: sunriseOdyssey/flickr (CC BY-SA 2.0)

Klima-Endspiel: Erkundung katastrophaler Klimawandelszenarien

Auch ohne den zuletzt veröffentlichten Sechsten Sachstandsbericht des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) der Vereinten Nationen wissen wir zwischenzeitlich, dass die Klimakrise da ist und dass Menschen auf der ganzen Welt durch Überschwemmungen, Brandkatastrophen, katastrophalen Dürren und Hungersnöte sterben. Trotz aller Warnungen zu den Auswirkungen der zunehmenden Erderhitzung und Appellen, dass Pariser Klimaziel nicht zu verpassen, gibt es vermehrt Kritik von Seiten zahlreicher Klimawissenschaftler. Sie werfen in einer im Fachjournal „PNAS“ veröffentlichten Studie dem Klimarat vor, Szenarien, die von 3°C Erwärmung bis hin zum schlimmsten Fall reichen, zu wenig Berücksichtigung geschenkt zu haben.

Nach Einschätzung der Forschenden– unter ihnen der Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) Hans Joachim Schellnhuber und der heutige PIK-Chef Johan Rockström – ist die entscheidende Frage, um die sich Klimarat und Politik herumdrücken: „Kann der von Menschen verursachte Klimawandel zu einem weltweiten Zusammenbruch der Gesellschaften oder sogar zum Aussterben der Menschheit führen?“

Dies ist ein Thema, das derzeit noch viel zu wenig erforscht ist. Dabei gibt es genügend Gründe für die Vermutung, dass der Klimawandel zu einer globalen Katastrophe führen könnte. Die Analyse der Mechanismen für diese extremen Folgen könnte dazu beitragen, Maßnahmen zu ergreifen, die Widerstandsfähigkeit zu verbessern und die Politik zu informieren, einschließlich der Notfallmaßnahmen. Wir skizzieren den aktuellen Wissensstand über die Wahrscheinlichkeit extremer Klimaveränderungen, erörtern, warum das Verständnis der schlimmsten Fälle von entscheidender Bedeutung ist, formulieren Gründe für die Besorgnis über katastrophale Folgen, definieren Schlüsselbegriffe und legen eine Forschungsagenda vor. Die vorgeschlagene Agenda umfasst vier Hauptfragen: 1) Wie groß ist das Potenzial des Klimawandels, Massenaussterbeereignisse auszulösen? 2) Welches sind die Mechanismen, die zu menschlicher Massensterblichkeit und -morbidität führen könnten? 3) Wie anfällig sind die menschlichen Gesellschaften für klimabedingte Risikokaskaden, z. B. durch Konflikte, politische Instabilität und systemische Finanzrisiken? 4) Wie können diese vielfältigen Erkenntnisse – zusammen mit anderen globalen Gefahren – sinnvoll zu einer „integrierten Katastrophenbewertung“ zusammengeführt werden? Es ist an der Zeit, dass sich die wissenschaftliche Gemeinschaft mit der Herausforderung auseinandersetzt, den katastrophalen Klimawandel besser zu verstehen, so die Forscher.

Dass Szenarien bis hin zum Aussterben der Menschheit keine Phantastereien sind, zeigt laut dem Bericht die Entwicklung der Treibhaugasemissionen. Jüngste Erkenntnisse über die Gleichgewichts-Klimasensitivität (ECS) unterstreichen, dass das Ausmaß des Klimawandels unsicher ist, selbst wenn wir die künftigen Treibhausgaskonzentrationen kennen. Der letztjährige IPCC-Bericht deutete an, dass bei einer Verdopplung des atmosphärischen CO 2 gegenüber dem vorindustriellen Niveau – etwas, auf das sich der Planet auf halbem Weg befindet – eine Wahrscheinlichkeit von etwa 18 % besteht, dass die Temperaturen über 4,5 °C steigen. Die Autoren warnen davor, dass der Zusammenbruch des Klimas wahrscheinlich andere „ interagierende Bedrohungen “ verschärfen würde: von zunehmender Ungleichheit und Fehlinformationen bis hin zum Zusammenbruch der Demokratie und sogar neuen Formen zerstörerischer KI-Waffen.

In der Schlussfolgerung der Forscher heißt es:

Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass der Klimawandel katastrophale Ausmaße annehmen könnte. Selbst bei einer nur mäßigen Erwärmung könnten wir in solche „Endspiele“ geraten. Das Verständnis extremer Risiken ist wichtig für eine solide Entscheidungsfindung, von der Vorbereitung bis zur Erwägung von Notfallmaßnahmen. Dazu müssen nicht nur Szenarien mit höheren Temperaturen untersucht werden, sondern auch das Potenzial der Auswirkungen des Klimawandels, zu systemischen Risiken und anderen Kaskaden beizutragen. Wir schlagen vor, dass es an der Zeit ist, ernsthaft zu prüfen, wie wir unseren Forschungshorizont am besten erweitern können, um diesen Bereich abzudecken. Die vorgeschlagene „Climate Endgame“-Forschungsagenda bietet eine Möglichkeit, sich in diesem wenig erforschten Bereich zurechtzufinden. Sich einer Zukunft mit beschleunigtem Klimawandel zu stellen, während man blind für Worst-Case-Szenarien ist, ist bestenfalls naives Risikomanagement und schlimmstenfalls tödlich dumm.

Hier geht’s zur Fachjournal „PNAS“

hjo

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