Material matters

Material matters
Foto: Pixabay CC/PublicDomain

Material matters

Ein Buch für unsere Zeit. Die beiden Autoren und Innovatoren analysieren zuerst unsere Zeit und den Umgang mit Materialien. Keine revolutionäre Analyse. Oberhuber und Rau zeigen die lineare Nutzung von Material auf: Sie beginnt mit der Gewinnung als Rohstoff, geht über Halbzeuge, wird in Geräten verbaut und landet schließlich im Abfall. Als Müll identifizieren die zwei Verfasser Material ohne Identität. So verschwenden wir Jahr für Jahr Millionen von Tonnen wertvollstes Material. Allein die Wertstoffe der in Deutschlands Schubladen liegenden Handys würde reichen, die Produktion für die nächsten Jahre zu sichern.

Warum dies alles? Am 24. Dezember 1924 trafen sich in Genf die führenden Glühlampenhersteller, um die Lebensdauer von Glühlampen auf 1.000 Stunden Leuchtdauer zu begrenzen, weil sonst nicht genügend Glühlampen verkauft werden könnten. Dieses sogenannte Phoebuskartell wurde erst offiziell Anfang der 40-er Jahre aufgelöst. Manche meinen es bestehe noch fort.

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Begrenzung der Lebensdauer von Produkten

Auch heute spielt die Lebensdauer von Produkten noch immer eine wichtige Rolle. Ihre Begrenzung hat nur einen Sinn: Nach einer bestimmten Zeit muss der Kunde ein neues Produkt kaufen. Daraus und aus weiteren Faktoren entwickelte das Autorenpaar drei Schwerpunkte für Geschäftsmodelle:

  1. Neu ist gerade noch nicht kaputt – das Ende der Nutzungsmöglichkeit ist vorherbestimmt.
  2. Neu ist so gut wie veraltet – es werden nur geringe Innovationen in neue Produkte integriert, damit schnell neue Nachfolgeprodukte auf den Markt gebracht werden können.
  3. Neu ist so gut wie unmodern – sogenannte Lifestyleprodukte müssen z.B. ihr Aussehen rasch verändern, damit immer schneller neue verkauft werden können.

Dazu steht in dem Buch: „Die geplante Obsoleszenz, egal ob sie auf technischer, funktionaler oder psychischer Manipulation beruht, ist eine raffinierte Unternehmensstrategie, die den Warenkonsum beschleunigt und stimuliert, allerdings mit negativen Auswirkungen auf Mensch, Gesellschaft und Umwelt.“

Alternative: Das Turntoo-Gescäftsmodell

Diesem Verbrauchsmodell setzen sie ihr Turntoo-Geschäftsmodell entgegen. Ihre drei strategischen Punkte sind:

  1. Designed to Perform statt Designed to Fail
  2. Designed to Be Updated statt Designed to Be Outdated
  3. Designed to Passion statt Designed to Be Outfashioned

Wie kann man diesen radikalen Wandel umsetzen? Dazu schlagen die Autoren im Architekturbüro Rau erprobte Lösungen vor. Produzenten verkaufen keine Produkte mehr, sondern sie verkaufen den Nutzen des Produktes. Sie werden zu Servicesdienstleistern. Während ein Produzent darauf achtet, dass seine Produkte so günstig wie möglich hergestellt werden und dabei den größten Profit erwirtschaften, achtet ein Hersteller, wenn er weiterhin Eigentümer und Betreiber bleibt, darauf, dass seine Produkte in dem gesamten Produktzyklus die beste Performance abliefern. Nicht nur eine effiziente Herstellung ist entscheidend, sondern auch ein geringer Reperaturaufwand und eine lange Lebensdauer bei geringem Energieverbrauch. Der Hersteller betrachtet den kompletten Lebenszyklus und am Ende ist er immer noch Eigentümer der Rohstoffe des Produktes.

Sparbuch in Form eines Materialpasses

Dadurch das Thomas Rau ein Architekturbüro betreibt, hat er den Gedanken auch für den Bausektor weiterentwickelt und ein Materialkataster entworfen. Er nennt es „Madaster“ und soll die Nutzung der Rohstoffe eines Gebäudes später vereinfachen. Zudem wird damit ein Gebäude nicht auf Null abgeschrieben, sondern hat am Ende noch einen Rohstoffwert. Es stellt damit eine Rohstoff-Bank dar.

Jedes Gebäude erhält praktisch ein Sparbuch in Form eines Materialpasses. Dieses Modell könnte generell auf alle Produkte übertragen werden, wodurch es keinen Abfall mehr gibt, weil Abfall Material ohne Identität ist.

Aus dieser gesamten Logik fordern die Autoren Oberhuber und Rau die „Universal Declaration of Material Rights“ (UDMR). Diese sind an die „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ angelehnt.

Wenn auch die anfängliche Analyse wenig spektakulär in dem Buch ist, so ist die konsequente Umsetzung der heutigen Möglichkeiten revolutionär. Es ist ein Hoffnungsbuch auf Basis realer Erfahrungen und eröffnet einen Horizont für ein Weiterdenken. Es ist ein Buch, welches offenen Geistern Ansätze liefert, um eine Welt von Morgen zu denken.

Helmut Scheel

Sabine Oberhuber & Thomas Rau
Material Matters
Wie eine neu gedachte
Circular Economy
uns zukunftsfähig macht
280 Seiten
Econ Verlag
2021

One thought on “Material matters

  1. Die Idee, dass Produkte so gestaltet werden sollten, dass sie am Ende ihrer Nutzungsdauer nicht zu Abfall werden, ist super. 🚯

    Wenn das nur jede/r fünte Konsument/in berücksichtigen würde, könnte sich die Art und Weise, wie wir Materialien verwenden und wertschätzen, grundlegend verändern. Das Modell von „Turntoo“ klingt realisierbar und wirkich sehr vielversprechend.

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