Regierung fehlt stringente Klimapolitik

Regierung fehlt stringente Klimapolitik
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Regierung fehlt stringente Klimapolitik

zeit.de: Neun-Euro-Ticket einführen und zugleich die Pendlerpauschale erhöhen: Das passt nicht zusammen. Die Regierung braucht jetzt eine stringente ökologische Finanzpolitik.

Die Bundesregierung bringt angesichts der steigenden Energiepreise Entlastungspakete auf den Weg. In diesem Gastbeitrag fordern Holger Bär und Carolin Schenuit vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, einem unabhängigen Thinktank aus Berlin, sowie der Umweltexperte Ernst Ulrich von Weizsäcker eine Neujustierung der Energie- und Umweltsteuern.

Der russische Angriffskrieg und die resultierenden hohen Energiepreise haben die Bundesregierung innerhalb weniger Wochen zu zwei milliardenschweren Entlastungspaketen veranlasst. Doch die monetären Erleichterungen fürs Volk sollten strategisch sinnvoll sein. Einigkeit herrscht mittlerweile mehr denn je darüber, dass man mit voller Kraft die Energiewende – und mit ihr die Verkehrs- und Wärmewende – beschleunigen muss. Doch die Entlastungspakete erschweren genau dies. Die Beschlüsse zeigen, dass es noch keinen klaren Kompass für die Navigation durch die großen Baustellen dieser Wenden gibt.

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So geht das ÖPNV-Monatsticket für neun Euro einher mit einer Erhöhung der Entfernungspauschale und einer Absenkung der Energiesteuern auf Kraftstoffe. Das ist das Gegenteil dessen, was man für die Wende braucht. Das günstige ÖPNV-Ticket ist vernünftig und bietet für viele einen Umstiegsanreiz. Aber das Autofahren pauschal zu verbilligen, ist Klientelpolitik vor allem für besser verdienende Vielfahrer und kostet den Staat viel Geld. Einkommensabhängige Maßnahmen hätten sozialpolitisch besser gewirkt und weniger gekostet.

Die ökologische Inkonsistenz der Entlastungsmaßnahmen steht sinnbildlich für die deutsche Energiepolitik der vergangenen Jahrzehnte. Wie unter einem Brennglas werden die Folgen jetzt sichtbar – und ein sehr schnelles Umsteuern ist herausfordernd. Doch während die neue sicherheitspolitische Realität die Schlagzeilen beherrscht, gehen die ökologischen Krisen ungebremst weiter.

Der Koalitionsvertrag enthält das klare Bekenntnis zum Klimaschutz und die Absicht, „die sozial-ökologische Marktwirtschaft neu zu begründen“. Der neue Bericht des Internationalen Klimarates IPCC drängt die internationale Gemeinschaft und damit auch Deutschland, dieses Großprojekt endlich konsequent umzusetzen. Der „Tanker deutsche Volkswirtschaft“ braucht dringend eine energische Kursänderung, um seine klimapolitischen Ziele zu erreichen und den notwendigen Wandel sozial gerecht zu begleiten. Denn die Bilanz der vergangenen zwanzig Jahre ist ernüchternd.

Umweltsteuern sind die niedrigsten in Europa

Manche Vertreter der Wirtschafts- und auch der Sozialpolitik behaupten oft, dass Umwelt- und Klimaschutz „alles teurer“ mache. Das stimmt nicht. Der Anteil der Umweltsteuern an den öffentlichen Einnahmen ist seit fast zwei Jahrzehnten rückläufig, wie eine neue Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft analysiert. 2003, am Ende der letzten Stufe der ökologischen Steuerreform, stammten 6,5 Prozent der öffentlichen Einnahmen aus Energiesteuern auf Kraft- und Heizstoffe sowie der Strom-, Kfz- und Luftverkehrsteuer. Die Einnahmen flossen vornehmlich in die Rentenkasse, senkten die Lohnnebenkosten und sicherten und schafften Arbeitsplätze.

Der wegweisende Gedanke der ökologischen Steuerreform, Ökologie und Soziales zu versöhnen, wurde von den Bundesregierungen seit 2005 nicht weiterverfolgt. Im Jahr 2021 lag der Umweltsteueranteil bei nur noch 3,7 Prozent, war also fast halbiert. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit auf dem vorletzten Platz, nur Luxemburg ist noch hinter uns. Der Hauptgrund: Während in vielen anderen europäischen Ländern die Energiesteuern indexiert, also an die Inflation angepasst werden, passiert das in Deutschland nicht. Die Folge: Die Umweltsteuereinnahmen liegen heute in realen Werten 29 Prozent niedriger als 2003, während im selben Zeitraum das Aufkommen von Lohn- und Mehrwertsteuer um 64 Prozent beziehungsweise 80 Prozent stiegen. Denn ein niedrigerer Umweltsteueranteil heißt nicht weniger Steuerlast, sondern oft höhere Steuerbelastung der Bürgerinnen an anderer Stelle, etwa beim Faktor Arbeit.

Wie stark sollte Umweltverbrauch besteuert werden?

Die niedrigen Umweltsteuern haben auch die Abhängigkeit von vermeintlich billigen fossilen Rohstoffen verstärkt. Investitionen in die Energiewende und damit mehr Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffimporten wurden auf die lange Bank geschoben. Die große Synergie von energiepolitischer Widerstandsfähigkeit und wirksamem Klimaschutz war nicht hoch genug auf dem politischen Radar – mit heute schwerwiegenden Folgen… weiterlesen

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