Wassermangel bedroht globale Ernährung

Wassermangel bedroht globale Ernährung
Foto: Pixabay CC/PublicDomain

Wassermangel bedroht globale Ernährung

Mitteleuropa bemerkt noch wenig, woanders geht bereits das Wasser aus. Die Weltwasserkommission fordert dringend Gegenmaßnahmen.

Anfang September geschah in der Nordsahara etwas Außergewöhnliches: Es regnete. An einem Tag fiel so viel Regen wie sonst in einem Jahr. An der Grenze zwischen Marokko und Algerien, wo sich sonst kaum Wasser findet, bildeten sich Seen zwischen den Dünen. Spektakuläre Fotos gingen durch die Medien (hier als Video auf Youtube). Das letzte Mal, dass es so viel regnete, liegt 50 Jahre zurück.

Die Kehrseite: Mindestens 20 Menschen verloren ihr Leben. Starkregen gehören zu den bedrohlichsten Naturereignissen in der Wüste. Weltweit gab es wegen Überschwemmungen, Erdrutschen und Stürmen in den vergangenen Jahren tausende Tote. Genauso tödlich ist ihr Gegenteil: ausbleibender Regen. Wasser am falschen Ort zählt zu den größten Bedrohungen für die Menschheit.

Keine Fata Morgana: Die Wasserverteilung gerät aus dem Gleichgewicht

Durch die Klimakrise kommt es immer häufiger zu solchen Extremen. In Mitteleuropa gibt es häufiger Überschwemmungen, während in Südeuropa schon vielerorts das Wasser fehlt. Die Hälfte der Weltbevölkerung leidet unter Wassermangel.

Ohne Gegenmaßnahmen stehe bis 2050 die Hälfte der globalen Lebensmittelproduktion auf dem Spiel, schätzt ein fast 200-seitiger Report der Weltwasserkommission (Global Commission on the Economics of Water), der sich mit den Veränderungen in der globalen Wasserverteilung beschäftigt.

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4.000 Liter am Tag für ein Leben in Würde

«Die Klimakrise manifestiert sich zuerst und vor allem in Dürren und Überschwemmungen», stellt die erste umfassende Studie über die weltweiten Wasserkreisläufe fest. Schon jetzt haben zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser, 1.000 Kinder sterben deshalb jeden Tag. Bis 2030 werde die Weltbevölkerung 40 Prozent mehr Süßwasser benötigen, als verfügbar ist, schätzen die Expert:innen.

Um in Würde leben zu können, benötige ein Mensch etwa 4.000 Liter Wasser am Tag, davon 50 bis 100 Liter für Gesundheit und Hygiene, den Rest für alle anderen Güter. Diese Menge werde von Experten bisher weit unterschätzt. Da viele Länder so viel Wasser nicht aufbringen können, sind sie auf Importe angewiesen.

«Grünes» und «blaues» Wasser

Im Vorteil sind Länder, die mehr «grünes» Wasser besitzen, also Wasser, das als Bodenfeuchtigkeit oder in Pflanzen gebunden ist. Wasser in Seen und Flüssen bezeichnet der Report als «blaues» Wasser.

Beides ist durch ein drittes Gefäß miteinander verbunden: dem Wasser in der Luft, das aus verdunstetem Wasser besteht. Die Hälfte der weltweiten Niederschläge über Land stammt aus der gesunden Vegetation in Ökosystemen.

Das Wasser am Himmel: Atmosphärische Flüsse

Das Luft-Wasser bewegt sich in sogenannten «atmosphärischen Flüssen». Das klingt abstrakt, ist aber altbekannt: Wolken bewegen sich mit dem Wind. Die Luft transportiert so Feuchtigkeit von einer Region zur anderen. 40 bis 60 Prozent aller Niederschläge stammen aus der Landnutzung benachbarter Gebiete. Einige Regionen profitieren mehr davon, andere weniger.

Auf der Website der Weltwasserkommission sind «grünes», «blaues» und «atmosphärisches» Wasser sowie die globalen Abhängigkeiten in interaktiver Form sehr gut anschaulich dargestellt.

Hauptnutznießer der atmosphärischen Flusssysteme sind derzeit China und Russland. Die größten Wasserexporteure sind Indien und Brasilien. Anders gesagt: Die chinesische Wirtschaft hängt vom Wassermanagement in Kasachstan, der Ukraine und den baltischen Staaten ab. Und Argentinien wiederum sei auf Brasilien angewiesen. So erklärt es der Klimawissenschaftler Johan Rockström, Leiter des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung und ein Mitglied der Wasserkommission.

Die Erderhitzung beeinflusst diese globalen Zusammenhänge allein durch die steigenden Temperaturen. Bei jedem zusätzlichen Grad Celsius nimmt die Luft 7 Prozent mehr Wasser auf. Wasser, das auch irgendwo wieder abregnet – im besten Fall über einem Wassermangelgebiet, im schlimmsten als tropischer Sturm.

Oder es fehlt an anderem Ort. Der Anteil der Klimakrise an Dürreereignissen steige, legte eine im Fachmagazin «Nature» veröffentlichte Studie unlängst nahe. Selbst der mächtige Amazonas-Fluss schrumpft. Bedenkt man, dass etwa 70 Prozent des globalen Süßwasserverbrauchs in die Landwirtschaft gehen, wird deutlich, welche Konsequenzen das für Länder wie Indien hat.

Bis 2050 könnten Wasser-Ereignisse 8 Prozent des Welt-BIP fressen

Das schadet auch der Wirtschaft. Versicherer beklagen zunehmende Klimaschäden, in Europa, beispielsweise in Deutschland, in den USA oder Kanada. Und das sind nur die Länder, in denen es (noch) jemanden gibt, der Unternehmen und Eigenheime versichert.

Schon in Kalifornien sind viele Immobilien nicht mehr versicherbar. Die Klimakrise treibt auch in anderen US-Staaten viele US-Amerikaner um. «Der Klimawandel kann auch Ihr Haus treffen. Ermitteln sie hier Ihr Risiko», titelte die «Washington Post» kürzlich in ihrem täglichen Newsletter.

Bis 2050 werden Wasserprobleme etwa 8 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) auffressen. Überproportional belastet seien dabei die ärmeren Länder, wo der Verlust bei 15 Prozent des BIP liege, zitiert der «Guardian» aus dem Report.

Die Kommission fordert ein Umdenken, bevor es zu spät ist. Die Welt befinde sich in einer Wasserkrise, die bisher nicht strukturiert angegangen werde. Das müsse sich dringend ändern. Die Wasserverteilung sei nicht nur global verschieden, sondern auch unkoordiniert und ungerecht.

Wasser als globales Gemeingut

Während Wasser für einige Menschen kaum bezahlbar sei, bezahlten andere fast nichts dafür, weil sie Subventionen erhielten oder auf andere Weise bevorteilt seien. Beispielsweise beim Recht, Wasser zu verschmutzen. Wasser müsse als globales Gemeingut anerkannt werden, um der Krise zu begegnen, bevor die Erderhitzung eine globale Wasser- und Nahrungskrise auslöse, fordert die Kommission.

Daniela Gschweng

Der Text stammt aus unserer Medienkooperation mit Pressenza. Im Original war er in Infosperber erschienen.

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