Wie weiter mit der Klimabewegung?

Wie weiter mit der Klimabewegung?
taz.de: Carla Hinrichs, Neue Generation, und Annika Rittmann von Fridays for Future diskutieren über Chancen für die Klimabewegung unter einem Kanzler Merz.
Es gäbe da natürlich den ein oder anderen Grund, deprimiert zu sein: Trump im Weißen Haus, das Erstarken rechtspopulistischer Bewegungen in ganz Europa, das Ergebnis der letzten Bundestagswahl. Und taz-Autor und Moderator Maximilian Arnhold lässt es sich nicht nehmen, gleich mal nach den aktuellen Schmerzpunkten zu bohren.
„Wie geht es weiter mit der Klimabewegung?“, heißt die Veranstaltung der Tour zur taz-Seitenwende in Hannover und neben ihm auf dem Podium sitzen Carla Hinrichs von der Letzten Generation und Annika Rittmann von Fridays for Future. Und die machen ziemlich schnell klar, dass sie nicht die Absicht haben, die Köpfe hängenzulassen, nur weil da jetzt demnächst „dieser Mann mit dem Privatflugzeug“ ins Kanzleramt einzieht.
Es war richtig, Alarm zu schlagen, die Dringlichkeit aufzuzeigen
Carla Hinrichs, Neue Generation
Dabei – auch das wird im Verlauf des Gesprächs schnell klar – verfolgen die beiden Zweige der Klimabewegung, die sie vertreten, durchaus unterschiedliche Strategien für die Zukunft. Da wäre zunächst die Letzte Generation, die jetzt Neue Generation heißen will. „Wir waren die letzte Generation vor den Kipppunkten – das ist vorbei“, sagt Hinrichs.
Nicht nur, weil das Konzept der Kipppunkte wissenschaftlich umstritten ist, sondern auch weil man über Blockaden und Klebeaktionen hinausgewachsen ist. Was nicht bedeuten soll, dass diese ein Fehler waren, betont sie. „Es war richtig, Alarm zu schlagen, die Dringlichkeit aufzuzeigen.“ Die Bewegung habe es immerhin geschafft, das Thema Klimakrise an fast jeden Abendbrottisch zu bekommen.
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Den Preis dafür zahlen die meisten Aktivist*innen allerdings immer noch, auch Hinrichs. „Ich bekomme fast jeden Tag Post von Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht. Natürlich stresst das.“ Dutzende von Strafverfahren stehen noch aus, auch die Frage danach, ob die Letzte Generation nun als kriminelle Vereinigung zu bewerten ist, ist noch lange nicht ausgeurteilt. Kriminalisierung und Repression schlauchen, räumt Hinrichs ein. Aber ein Grund für den Namenswechsel waren sie nicht.
Der sei mit einem Strategiewechsel verbunden, der aus der Erkenntnis komme: Dieses System wurde gehackt. Reiche und Lobbyisten haben zu viel Macht. Das will die Neue Generation ändern. Mit einer Art Gegenparlament oder vielmehr mehreren „Parlamenten der Menschen“ das demokratische Spielfeld von unten aufrollen.
Es soll so funktionieren wie der Gesellschaftsrat, den die Bewegung lange gefordert hat. Ein Gremium aus ganz unterschiedlichen Menschen, die per Los bestimmt werden, aber gleichzeitig unterschiedliche Bevölkerungsgruppen repräsentieren. Die Hoffnung dabei: So könnte man ernsthaft aus ganz unterschiedlichen Perspektiven über Problemlösungen diskutieren – ohne durch Machtspiele, Gruppenzwänge und Einflüsterungen von außen sabotiert zu werden.
Aber was, fragt Moderator Maxi Arnhold, nutze denn bitte schön noch ein Vorschlagsgremium? Einen Bürgerrat zum Klima habe es ja auch schon einmal gegeben, dessen Forderungen sind bis heute nicht umgesetzt. „Aber den hat doch keiner mitgekriegt“, sagt Hinrichs. Das müsse man dieses Mal anders machen. Dieses Mal müsste der Gesellschaftsrat und seine Inhalte überall diskutiert werde, wie eine Fußball-WM. Und das wäre doch immerhin die große Stärke der Bewegung: Aufmerksamkeit zu generieren.
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In mehreren Stufen sollte sich dieser Gesellschaftsrat im Losverfahren immer neu, immer repräsentativer zusammensetzen – bis er quasi ein Mini-Deutschland abbildet. Das soll dann in einem Zelt auf der Bundestagswiese tagen und Vorschläge machen, die eigentlich kein vernünftiger Mensch mehr ablehnen kann. Man wolle aus der Bittsteller-Position heraus, sagt Hinrichs.
Und Fridays for Future? Deren Mobilisierungswucht auch ziemlich nachgelassen hat? Haben sich schon längst aufgemacht, um neue Allianzen einzugehen, sagt Bundessprecherin Annika Rittmann. Auch wenn es weiterhin wichtig bleiben wird, das Thema auf die Straße zu bringen. „Demos und Streiks werden bleiben.“ Sie erwarte eher, dass die neuerliche Große Koalition die Mobilisierung wieder einfacher mache, wenn die Grünen das Thema Klimaschutz allein stemmen werden. Darauf haben sich alle andere ausgeruht – und viele Jungwähler sind nun enttäuscht, weil die Grünen in ihren Augen zu viele faule Kompromisse gemacht haben.
Im Forderungskatalog von Fridays for Future nimmt auch die soziale Komponente seit einiger Zeit mehr Raum ein. Neben dem Abschied von den fossilen Energieträgern geht es auch um neue Jobs durch die grüne Transformation und das Klimageld zur Abfederung sozialer Härten. Gleichzeitig, sagt Rittmann, müsse es jetzt darum gehen, positivere Erzählungen zu etablieren, das individuelle Engagement für den Klimaschutz einfacher handhabbar zu machen… weiterlesen