Windräder landen auf illegalen Halden im Ausland

Windräder landen auf illegalen Halden im Ausland
Foto: Pixabay CC/PublicDOmain

Windräder landen auf illegalen Halden im Ausland

welt.de: Deutschland will mehr und größere Windräder bauen. Dafür müssen Tausende alte Anlagen entsorgt werden. Vieles lässt sich nicht recyceln und landet auch an dubiosen Stellen in Osteuropa. Über ein schmutziges Geschäft – und wie deutsche Experten dagegen vorgehen wollen.

Manchmal, sagt Barbora Šišková, kann sie noch immer nicht glauben, was an jenem späten Winterabend passiert ist. Es war in der Nacht auf den 13. Dezember vergangenen Jahres, als elf Lkw in ihr Dorf direkt hinter der deutsch-tschechischen Grenze rollten. Auf einem Gelände direkt hinter der einzigen Bushaltestelle stoppte die Karawane und kippte ab, was sie geladen hatte: mehr als 90 Tonnen Müll.

Und zwar nicht irgendwelchen. Unter dem Schrott waren alte Batterien, Flugzeug- und Autoteile – vor allem aber die Flügel ausrangierter Windräder. Von Anlagen, die zuvor in Deutschland abgebaut worden waren. Šišková sagt heute: „Die glaubten, das ist hier das Ende der Welt.“

Šišková ist Bürgermeisterin von Jiříkov, einer Gemeinde mit 3500 Einwohnern zwischen Wiesen und Wäldern, 90 Kilometer östlich von Dresden. Die 57-Jährige hatte damals keine Ahnung, wer hinter den Fahrten steckt, bis am 8. Januar weitere sechs Lastwagen eintrafen. Einer lud erneut seine Fracht ab, darunter ebenfalls abgeschraubte Rotorblätter. Als die Polizei die Fahrer stoppte, stellte sich heraus: Der Schrott stammte laut Frachtzettel von einer Recyclingfirma in Bayern. Illegal als herkömmlicher Plastikmüll deklariert, sollte ihn eigentlich ein tschechisches Unternehmen wiederverwerten.

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Stattdessen stapeln sich die Flügel nun wie übergroße Mikadostäbe in Jiříkov und laut der tschechischen Umweltschutzorganisation Arnika noch an mindestens zwei anderen Orten des Landes. Bis heute. Jeden Tag, sagt Šišková, müssten sie den Anblick ertragen und um ihre Natur bangen. Glasfaserreste könnten in den Boden eindringen, ins Wasser, wirbelten bereits durch die Luft. Es sind Reste der deutschen Energiewende.

Viele überalterte Windkraftanlagen

Fast die Hälfte der bestehenden Anlagen ist älter als 15 Jahre, ein gutes Viertel sogar älter als 20 Jahre. Viele von ihnen werden in den kommenden Jahren abgeschaltet. Neben technischen Gründen hat das vor allem wirtschaftliche: Das im Jahr 2000 erlassene Erneuerbare-Energien-Gesetz garantiert den Anlagenbetreibern Einspeisevergütungen – aber nur für 20 Jahre. Ohne die Bezuschussung rechnet sich jedoch der Weiterbetrieb vieler Windräder nicht mehr, Wartung und Reparatur werden mit zunehmendem Lebensalter zu teuer.

Die Folge: Bis 2030 fallen laut Umweltbundesamt jährlich rund 20.000 Tonnen Abfälle allein aus alten Rotorblättern an – in den 2030er-Jahren könnten es bis zu 50.000 Tonnen im Jahr sein. Zum Vergleich: Derzeit liegt das jährliche Abfallaufkommen bei etwa 4000 bis 5000 Tonnen.

Wohin also damit? In den USA werden die Teile bislang schlicht auf Deponien geworfen. Hierzulande ist das verboten. Landen die Rotoren nicht auf illegalen Flächen wie in Jiříkov, dienen sie bislang als Brennstoff in der Zementherstellung. Die sogenannten glasfaserverstärkten Kunststoffe und selbst das enthaltene wertvolle Balsaholz werden einfach verfeuert.

Was offiziell als „thermische Wiederverwertung“ bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit reine Verschwendung von Rohstoffen, die alles andere als grün ist. Einige Unternehmen, darunter das oben genannte in Bayern, werben damit, die gesamte Anlage „umweltschonend zu recyceln“. Bereits vor drei Jahren warnte das Karlsruher Institut für Technologie in einem Bericht davor, Rotorblätter könnten auf „ungeeigneten Wegen entsorgt“ oder zur „Scheinverwertung exportiert“ und „im Ausland abgelagert“ werden. Die Warnungen haben sich mancherorts bewahrheitet. Um das zu verhindern, arbeiten Forscher an Verfahren, die die Wiederverwendungen einfacher und billiger machen sollen – und die wertvollen Stoffe zurückgewinnen.

Armin Varmaz ist Professor für Finanzökonomie und Experte für den Rückbau von Windkraftanlagen an der Hochschule Bremen. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme hat er ein Handbuch herausgegeben, wie es am billigsten und einfachsten funktionieren kann, so einen oft 130 Meter großen Koloss wieder einzureißen. Bislang beschäftigte er sich zwar vor allem mit Anlagen auf dem Meer. „Das Vorgehen und die Probleme“, sagt er, „sind aber an Land etwa die gleichen.“ Auf dem Wasser, sagt er, sei alles nur „noch ein bisschen teurer und aufwendiger“.

Rückbau wäre machbar

Eigentlich, sagt Varmaz, sei der Rückbau „gar nicht so kompliziert.“ Alle Teile montiere man nach und nach ab: zuerst über der Erde Rotorblätter, Nabe, Gondel und Turm, dann im Boden das Fundament und die Kupferkabel. Zerlegt in ihre Einzelteile wird manche alte Anlage anschließend ins Ausland verkauft, etwa nach Osteuropa. Die überwiegende Mehrheit wird jedoch geschreddert. „Das meiste Material lässt sich gut wiederverwerten“, erklärt Varmaz.

Zu fast zwei Dritteln bestehen die Teile aus Beton. Der lässt sich vor Ort zerkleinern und als Schotter bei Straßen und Wegen wieder einsetzen. Das andere knappe Drittel, der Stahl, kann eingeschmolzen werden. „Schwierig“, sagt er, „ist nur der letzte kleine Rest.“ Sprich, die verbliebenen zwei bis drei Prozent und weithin besonders sichtbaren Bestandteile: die Flügel.

Das Komplizierte daran: Sie sind über ihre Länge hinweg größtenteils wie ein Sandwich aufgebaut. Die äußeren Schichten bestehen aus glasfaserverstärkten Kunststoffen, der Kern aus Balsaholz. Dazu kommen Harze und Kleber. Wegen dieser Struktur können die Rotorblätter möglichst groß sein, zugleich aber stabil und leicht. „Das alles ist darauf ausgelegt, sich nicht mehr voneinander zu trennen“, sagt Varmaz. Beim Recycling muss aber genau das passieren, nur separat lassen sich die Stoffe wieder einsetzen… weiterlesen

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