Wohl der Gäste und der Umwelt im Blick
Wohl der Gäste und der Umwelt im Blick
2023 hat MEININGER Hotels sein Engagement für Nachhaltigkeit strategisch neu ausgerichtet und Silvia Gonzaga in die Position einer Vollzeit-Sustainability-Managerin berufen. Im Gespräch mit globalmagazin erläutert sie, welchen Herausforderungen sich ein Hotel und dessen Mitarbeitende in Bezug auf Nachhaltigkeit täglich zu stellen haben.
Was sind in der Hotelbranche die wichtigsten Herausforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Silvia Gonzaga: Laut Umweltbundesamt wird der Anteil der Treibhausgas-Emissionen, die durch Tourismus verursacht werden, auf acht Prozent geschätzt. Als Hotelkette sind wir nicht nur Verursacher von Emissionen, sondern auch stark auf ein intaktes Klima angewiesen, da unsere Lieferketten, Gebäude und die Erreichbarkeit unserer Hotels von den Folgen des Klimawandels direkt betroffen sind. Extreme Wetterereignisse wie Fluten und Hitzewellen führen bereits zu steigenden Rohstoff- und Lebensmittelpreisen, verursachen Schäden an Gebäuden und beeinträchtigen die Erreichbarkeit. Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass wir handeln müssen.
Was können und müssen Sie machen??
Die Herausforderung besteht darin, unsere Hotels nachhaltiger zu gestalten und dabei die gesamte Wertschöpfungskette im Blick zu behalten. Gleichzeitig müssen wir die Erwartungen unserer Gäste erfüllen und sicherstellen, dass die Kosten tragbar bleiben…
…ziemlich komplexe Problembeschreibung…
Das ist sicherlich keine einfache Aufgabe, aber eine, die sich mit den richtigen Strategien bewältigen lässt. Zum Glück wächst das Bewusstsein für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen bei Gästen, Geschäftspartnerinnen und Gesprächspartnern oder Investorinnen und Investoren stetig, was den Druck auf die gesamte Branche erhöht.
Wie kann der Weg dorthin aussehen? Wie gehen Sie das bei MEININGER Hotels an?
Neue Regulierungen wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), eine europäische Richtlinie, die bilanzrechtlich große Unternehmen verpflichtet, für Geschäftsjahre beginnend ab dem 1. Januar 2025 umfangreicher und detaillierter über ihre Nachhaltigkeitsleistungen zu berichten, weisen bereits jetzt den Weg in Richtung Zukunft. Denn sie verlangen von allen betroffenen Unternehmen, neben der Erfassung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Daten, auch neue Strukturen, Prozesse und Verantwortlichkeiten zu schaffen, um entsprechendes Fachwissen in allen Bereichen aufzubauen.
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Wie lösen Sie das ?
Wir haben für unser Geschäftsjahr 2023 erstmalig eine Klimabilanzierung für die gesamte Wertschöpfungskette durchgeführt:
Neben den direkten Emissionen (Scope 1 und 2) haben wir auch die Scope 3-Emissionen untersucht, mit Fokus auf die vorgelagerte Wertschöpfungskette, wie eingekaufte Waren und Dienstleistungen sowie deren Transport. Das ist entscheidend, um ein ganzheitliches Verständnis zu erlangen, da hier, ähnlich wie bei anderen Hotelgruppen und Dienstleistern, der Großteil unseres CO2-Fußabdrucks entsteht.
Was bedeutet das genau?
Konkret bedeutet das: Unsere direkten Emissionen (Scope 1 und 2), die zum Beispiel durch Heizung und Strom in den Hotels verursacht werden, liegen bei 3,5 Kilogramm CO2 pro Zimmer und Übernachtung. Wenn wir jedoch die indirekten Emissionen (Scope 3) hinzuzählen, steigt unser CO2-Fußabdruck auf 14,9 kg CO2 pro Zimmer und Übernachtung. Dabei entfallen 77 Prozent der gesamten CO2-Emissionen auf Scope 3, wobei allein 55 Prozent in den eingekauften Gütern und Dienstleistungen liegen – also im Wesentlichen auf Emissionen, die bei unseren Lieferanten entstehen. Das zeigt, wie wichtig es ist neben eigenen Maßnahmen auch mit unseren zahlreichen Lieferanten zusammenzuarbeiten, um den CO2-Ausstoß weiter zu reduzieren.
Gibt es noch weitere Ansätze, die Hotellerie klimafreundlich zu organisieren?
Neben der kontinuierlichen Reduktion der CO₂-Emissionen spielen auch Themen wie Biodiversität, Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Beschaffung und Governance eine zentrale Rolle. Die Verbesserung unseres gesellschaftlichen Beitrags gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung. Das bedeutet, dass wir nicht nur die Umweltaspekte berücksichtigen müssen, sondern auch die sozialen Dimensionen, wie unsere Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden, die Förderung von Diversität und Inklusion bei uns intern aber auch gegenüber unseren Gästen sowie die Wahrung der Menschenrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
In Bezug auf das Reiseverhalten Ihrer Gäste haben Sie weniger Einfluss: Ist das dennoch ein Thema für Sie und was könnte da verbessert werden?
Als Hotelgruppe können wir aktiv durch unsere Kommunikationskanäle wie Marketing, PR und Social Media für weniger touristisch geprägte Städte werben, um so dem Massentourismus entgegenzuwirken. Dies entspricht dem Zeitgeist, da immer mehr Menschen für nachhaltiges Reisen sensibilisiert sind.
Das betrifft die Reise selbst. Was ist mit den Aufenthalten?
In diesem Jahr zeigen die Deutschen ein wachsendes Interesse an Reisen innerhalb Deutschlands. Neben Küstenregionen und dem Alpenvorland gewinnen auch Städte wie Berlin und Hamburg an Attraktivität. Diese Entwicklung ist nicht nur auf die gestiegenen Flugpreisen zurückzuführen, sondern auch auf ein verändertes Reiseverhalten: Immer mehr Reisende wählen nahegelegene Ziele, die bequem mit der Bahn erreichbar sind.
Während des Aufenthalts möchten Gäste nicht ständig an Klimakrisen, Ressourcenmangel und soziale Missstände erinnert werden, sondern einen unbeschwerten Aufenthalt genießen. Es liegt an uns, unsere Angebote und Services so zu gestalten, dass sie Umwelt und soziale Belange möglichst wenig negativ beeinflussen und unsere Gäste dabei keinen Komfortverlust erleben. Als Budgethotel haben wir einen klaren Vorteil im Vergleich zu höherpreisigen Hotels.
Was muss ich darunter verstehen?
Wir verzichten beispielsweise auf Mini-Bars in den Zimmern sowie auf überflüssige Zusatzleistungen wie einzeln abgefüllte Duschgels, Shampoos, Duschhauben, Nähzeug oder Zahnputzbecher. Stattdessen verwenden wir Bettbezüge und Kissenhüllen von Brinkhaus, die aus 100 Prozent recyceltem PET gefertigt sind. Auch an unserem Buffet verzichten wir auf Einweg- und Einzelverpackungen. Beim Einkauf legen wir großen Wert auf Großgebinde bei Lebensmitteln, um die Verwendung von Einzelverpackungen zu minimieren. Unser Raumkonzept erlaubt zudem eine maximale Ausnutzung der Fläche, insbesondere durch unsere Mehrbettzimmer, die eine sinnvolle Ergänzung zu den klassischen Doppelzimmern darstellen.
Was können Sie mit Blick auf mehr Nachhaltigkeit in naher/fernerer Zukunft für Lösungen anstreben?
Wir haben in den letzten Jahren viele Aktionen gestartet, die uns auf den richtigen Weg gebracht haben. Dazu gehören beispielsweise Gespräche mit den Vermietern unserer Hotelgebäude zu Themen wie Energieeffizienz, Ausbau von Solaranalgen oder E-Ladestationen. Außerdem kooperieren wir mit Partnern wie „Too Good To Go” oder „RECUP”. Ausgediente Möbel und IT-Produkte spenden wir an lokale soziale Einrichtungen und Organisationen. All diese Schritte helfen uns dabei, ressourcenschonend zu agieren. Dabei handeln wir immer nach dem Motto: Nachhaltigkeit ist kein USP und auch nicht im Alleingang zu erreichen…
Sondern?
Allianzen und Partnerschaften sind von entscheidender Bedeutung. Auch der Austausch von Wissen, um innovative Lösungen zu ermöglichen und gemeinsame Ziele schneller und effizienter zu erreichen, ist uns wichtig. Daher engagieren wir uns auch auf Verbandsebene, beispielsweise in dem HSMA-Expertenkreis für Nachhaltigkeit. So können Synergien genutzt, nachhaltige Praktiken gestärkt und die Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft positiv beeinflusst werden.
In Bezug auf die soziale Dimension der Nachhaltigkeit ist es uns besonders wichtig, dass wir eine Willkommenskultur leben – für unsere Gäste und unsere Mitarbeitenden. Wir möchten ein Umfeld schaffen, in dem sich alle respektiert fühlen, unabhängig von sozialer Herkunft, Glaube, Alter, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Derzeit sind bei MEININGER Mitarbeitende aus 90 unterschiedlichen Nationalitäten tätig. Dennoch gibt es Vorurteile, die abgebaut werden müssen. Daher schulen wir unsere Manager in Unconscious Bias-Trainings und fördern anonyme Bewerbungen. Darüber hinaus arbeiten wir kontinuierlich daran, die Barrierefreiheit unserer Hotels und Webseiten zu verbessern, insbesondere im Hinblick auf den European Accessibility Act, der ab Juni 2025 digitale Barrierefreiheit vorschreibt. Um zu einer inklusiven und vielfältigen Gesellschaft beizutragen, haben wir für unsere deutschen Hotels die Charta der Vielfalt unterzeichnet.
Die Branche ist zurzeit sehr mit Personalsorgen behaftet. Wie begegnen Sie diesen?
Im letzten Geschäftsjahr zählte MEININGER Hotels 1.270 Mitarbeitende, für das laufende Jahr erwarten wir einen Anstieg auf etwa 1.330. Dieser erhöhte Personalbedarf stellt uns in Zeiten des Fachkräftemangels vor Herausforderungen…
…dem Sie wie begegnen?
Um dem entgegenzuwirken, haben wir Anfang 2022 ein Employer Branding-Projektteam ins Leben gerufen, das kontinuierlich daran arbeitet, unsere Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern und potenzielle Mitarbeitende auf uns aufmerksam zu machen. In diesem Jahr haben wir unseren Instagram-Kanal “@Insidemeininger” gelauncht, der einen realistischen Einblick in den Arbeitsalltag und die vielseitigen Fachbereiche unserer Hotelgruppe bietet. Mit diesem Kanal möchten wir nicht nur für MEININGER begeistern, sondern auch die Vorzüge der Hotelbranche hervorheben.
Gleichzeitig setzen wir alles daran, die Fluktuation so gering wie möglich zu halten, indem wir auf die kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Mitarbeitenden setzen.
Was machen Sie da konkret?
Ein Beispiel dafür ist unsere E-Learning Plattform, dort bieten wir eine breite Palette von Trainingsmöglichkeiten, von allgemeinen Onboarding-Präsentationen bis hin zu abteilungsspezifischen Schulungen. Jedes Teammitglied erhält zudem ein jährliches Trainingsbudget. Um das Thema mentale Gesundheit zu fördern, sind wir eine Partnerschaft mit der Wellbeing-App “Open Up” eingegangen, die unseren Mitarbeitenden und bis zu drei Familienmitgliedern Zugang zu 1:1-Sitzungen mit zertifizierten Psychologen und Lebensstilexperten bietet. Seit 2019 organisieren wir außerdem Team- und Hotelevents zum Earth Day und zur Earth Hour. Darüber hinaus bieten unseren Mitarbeitenden bis zu zwei bezahlte Corporate Volunteering-Tage an. Auch die Digitalisierung steht bei uns im Fokus: Wir möchten Prozesse vereinfachen, um unsere Mitarbeitenden effektiv zu unterstützen. Durch anonyme Befragungen holen wir regelmäßig Feedback ein – kürzlich etwa zur Wahrnehmung von Diversität, Inklusion und fairen Arbeitsbedingungen bei MEININGER Hotels. Diese Ergebnisse nutzen wir, um uns kontinuierlich zu verbessern und auf aktuelle Bedürfnisse einzugehen. Unser Ziel ist es, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die nicht nur die berufliche Entwicklung fördert, sondern auch das Wohlbefinden unserer Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellt.
pit