Die Natur im Recht
Die Natur im Recht
Welche Rolle spielt die Natur in unserem Rechtssystem? Auf den ersten Blick könnte man vermuten, dass es in diesem Buch um Naturschutz, Umweltschutz, Emissionen und ähnliche Themen geht. Doch der Autor Bernd Söhnlein, promovierter Jurist mit Schwerpunkt im Umwelt- und Planungsrecht, nähert sich der Thematik auf eine neue, innovative Weise: Was wäre, wenn die Natur eine eigene Rechtspersönlichkeit hätte und somit selbst Trägerin von Rechten wäre?
Derzeit ist die Natur bloß ein Rechtsobjekt, das keine eigenen Rechte besitzt. Wer sich nun sorgt, die juristische Sprache könnte zu kompliziert sein, dem sei gesagt: Söhnlein gelingt es, die Probleme des gegenwärtigen Naturschutzes in einer verständlichen Weise darzulegen und einen visionären Ausblick für die Zukunft zu bieten.
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Rechtsgemeinschaft mit der Natur
Der Autor führt den Leser auf einem leicht verständlichen Weg durch das Thema und die damit verbundenen Herausforderungen. Er beginnt mit einer Erklärung des Naturbegriffs und den damit verbundenen Konsequenzen. Anschließend gibt er einen kurzen Überblick über die Geschichte des europäischen Rechts, um zu erklären, warum unser Rechtssystem heute so aussieht, wie es ist.
Bereits nach 20 Seiten gelangt er zu einem der Kernpunkte des Buches: den „Gründen für eine Rechtsgemeinschaft mit der Natur“. In diesem Kapitel behandelt Söhnlein ethische wie auch anthropozentrische Perspektiven und stellt die Anthropozentrik der Ökozentrik gegenüber. Er beleuchtet den Eigenwert der Natur und untersucht das Zusammenspiel zwischen der Naturwürde und der Menschenwürde.
Natur als Rechtssubjekt
Bevor das Buch sich mit der Natur als Rechtssubjekt beschäftigt, beleuchtet es das „Ökologische Grundprinzip“. Dieses basiert auf den Kreisläufen der Natur, dem „Eigenwert der Natur, die ihre eigene Würde besitzt, sowie der Einbindung der menschlichen Zivilisation in diese Kreisläufe“.
Das siebte Kapitel bildet den zentralen Teil des Werkes. Hier werden die Grundlagen unseres Rechtssystems für den juristischen Laien anschaulich erklärt. Söhnlein erläutert die Begriffe der Rechtsfähigkeit und der Rechtsperson und geht darauf ein, welche Entitäten in der Natur zu einer Rechtsperson werden könnten und aus welchen Gründen. Ebenso spricht er mögliche Rechtsansprüche an, die aus einer solchen Rechtsstellung abgeleitet werden könnten.
Natur vor einem Gericht vetreten
Nachdem die Rechte der Natur im Rahmen eines ökologischen Grundrechts vorgestellt wurden, stellt sich ganz logisch die Frage: Wer soll die Natur vor einem menschlichen Gericht vertreten? Der Jurist liefert praktikable Vorschläge, die sich bereits in anderen Rechtsbereichen bewährt haben. So könnten etwa Naturschutzorganisationen oder auch Privatpersonen als Vertreter in Frage kommen. Es hängt im Wesentlichen davon ab, welche gesetzlichen Schwerpunkte gesetzt werden und wie diese konkret ausgestaltet sind.
Schließlich führt das Buch zur „Einbindung von Eigenrechten der Natur in die Rechtsordnung“, zum „Rechtsverhältnis zwischen Menschen und Naturelementen“ und hin zu „Denkanstößen für eine Rechtsgemeinschaft mit der Natur“. All diese Schritte sind notwendig, um eine „globale Rechtsgemeinschaft mit der Natur“ zu etablieren. Diese ist unerlässlich, weil das bisherige Rechtsverständnis und Rechtssystem nicht ausreichen, um die Natur in ihrer Eigenheit und als Lebensgrundlage für uns zu bewahren. Dafür bedarf es, wie Söhnlein es im letzten Kapitel nennt, einer „Transformation der Rechtsordnung“.
Für mich ist es erstaunlich, wie es Söhnlein gelingt, ein so komplexes juristisches Thema so fundiert und gleichzeitig allgemeinverständlich darzustellen. Bernd Söhnlein hat es geschafft, das Thema „Die Natur im Recht“ fachlich fundiert, wie man es von einem promovierten Juristen erwarten kann, zu durchdringen und zu einem zukunftsfähigen Konzept zusammenzuführen. Jeder, dem der Schutz der Natur und des Klimas am Herzen liegt, sollte sich mit dem Thema „Rechte der Natur“ auseinandersetzen. Dieses Buch liefert dazu eine fundierte juristische Einführung.
Helmut Scheel