Zerstörungskraft männlichen Denkens

Zerstörungskraft männlichen Denkens
Foto: Wikimedia CC 2.0/Stéphane M. Grueso

Zerstörungskraft männlichen Denkens

taz.de: Wie konnte es zu Klimakatastrophe und Artensterben kommen? Pierre Charbonnier untersucht in seinem Buch die europäische Ideengeschichte.

Der französische Philosoph ­Pierre Charbonnier will die Geschichte neu schreiben. Das kündigt er in der Einleitung seines 500-Seiten-Werks „Überfluss und Freiheit“ etwas großspurig an. Aus der Ideengeschichte Europas seit dem 17. Jahrhundert leitet er die Ursachen der Klimakatastrophe und des Artensterbens ab.

„Die Nichtbeachtung der ökologischen Regeln, die diese Erde bewohnbar machen, und die Entwicklung einer Lebensweise, die zu diesen Regeln im Widerspruch steht, bilden den Kern unserer politischen Geschichte.“ Markt und technische InnovInnovation,Lebensweise,ationen hätten regelmäßig das Gegenteil dessen bewirkt, was ihre Verfechter behaupteten.

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Der 1983 geborene Autor fordert eine komplette Neubetrachtung, was die Gesellschaft der Zukunft angeht – bleibt aber ausgerechnet hierbei sehr unkonkret.

So beschränkt sich das Buch weitgehend darauf, die Vorstellungen europäischer Männer in den vergangenen 400 Jahren nachzuzeichnen. Das reicht von Grotius, Locke, Kant, Smith, de Tocqueville über Marx bis Polanyi und Marcuse und einigen Dutzend weiteren. Dabei umkreist Charbonnier die Begriffe Autonomie, Eigentum, Demokratie und Freiheit und setzt sie in Beziehung zu Boden, Ressourcen, Produktion und Überfluss. Das ist an manchen Stellen eher fleißig als fokussiert und immer wieder gibt es auch Re­dun­dan­zen. Eine Straffung hätte dem Buch an manchen Stellen durchaus gutgetan.

Wettbewerb um Territorien

Zunächst entwickelte sich im 17. Jahrhundert ein Politikverständnis, bei dem der Staat nicht länger für das Seelenheil der Be­woh­ne­r*in­nen zuständig war. Institutionen, Recht, Wissenschaft und Politik dienten mehr und mehr dem Ziel, individuelles Eigentum und Souveränität abzusichern. Im Wettbewerb teilten die Nationen Meere und Böden jenseits des eigenen Territoriums auf – wobei indigenen Gesellschaften die Rechte der Europäer abgesprochen wurden.

Das 18. Jahrhundert ist geprägt von Fortschrittsideologie. Freiheit und wirtschaftliches Wachstum gelten als essenziell für die menschliche Entwicklung und zivilisatorische Dynamik. Boden wird als Ressource kodiert, französische Großgrundbesitzer verbinden damit Renditeerwartungen.

In England dagegen erzielen Investoren Gewinne vor allem durch den Import billiger Rohstoffe, die Ausbeutung von Arbeit und Warenhandel – und all das galt im Konzept des Liberalismus als Ausdruck individueller Leistung und tugendhafter Haltung. Der Staat überließ der Industrie alle Fragen der Versorgung und übernahm den Schutz des Eigentums durch Justiz, Polizei und Armee. Europa lebte auf Kosten des Rests der Welt und behauptete zugleich seine moralische und geistige Überlegenheit… weiterlesen

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