Covid-19 Weckruf – Es ist 100 Sekunden vor Mitternacht
Covid-19 Weckruf – Es ist 100 Sekunden vor Mitternacht
Untaugliche Maßnahmen gegen die Pandemie werden als Beleg dafür gesehen, dass Regierungen, Institutionen und die Öffentlichkeit nicht darauf vorbereitet sind, auf Bedrohungen wie Atomwaffen und den Klimawandel zu reagieren.
Am Ende der Covid-19 Pandemie werden weltweit mehr als zwei Millionen Menschen an der Krankheit gestorben sein. Der falsche Umgang mit dieser schwerwiegenden globalen Gesundheitskrise ist ein „Weckruf“, dass Regierungen, Institutionen und eine fehlgeleitete Öffentlichkeit weiterhin nicht darauf vorbereitet sind, mit noch größeren Bedrohungen, wie die eines Atomkriegs oder des Klimawandels umzugehen. Angesichts dessen und des fehlenden Fortschritts im vergangenen Jahr, auf nukleare und klimatische Gefahren zu reagieren, bleibt die Weltuntergangsuhr so kurz vor Mitternacht stehen wie noch nie zuvor – nur 100 Sekunden vor Mitternacht.
Die Entscheidung über den Stand der Weltuntergangsuhr wird vom Wissenschafts- und Sicherheitsgremium des Bulletin of the Atomic Scientists in Abstimmung mit dem Gremium der Sponsoren getroffen, dem 13 Nobelpreisträger angehören. Im Januar 2020 wurde die Weltuntergangsuhr auf 100 Sekunden vor Mitternacht gestellt – so kurz vor Mitternacht wie noch nie zuvor seit ihrem Bestehen.
Im Dezember 2020 beging das Bulletin of the Atomic Scientists seinen 75. Jahrestag. 1945 von Albert Einstein und Wissenschaftlern der University of Chicago gegründet, die im Rahmen des Manhattan-Projekts an der Entwicklung der ersten Nuklearwaffen beteiligt waren, schuf das Bulletin of the Atomic Scientists zwei Jahre später die Weltuntergangsuhr und verwendete dabei die Vorstellung von der Apokalypse (Mitternacht) und dem geläufigen Bild atomarer Explosionen (Countdown bis 0), um Bedrohungen für die Menschheit und den Planeten zu versinnbildlichen. Im Laufe der Zeit wurde die Uhr zu einem allgemein anerkannten Indikator für die Verletzlichkeit der Welt angesichts von Katastrophen wie Nuklearwaffen, Klimawandel sowie zerstörerischen Technologien auf anderen Gebieten.
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Dr. Rachel Bronson, Präsident und CEO des Bulletin of the Atomic Scientists sagte:
„Die Zeiger der Weltuntergangsuhr bleiben bei 100 Sekunden bis Mitternacht, so nah an Mitternacht wie bisher. Die tödliche und beängstigende Covid-19 Pandemie dient als historischer ‚Weckruf‘, eine eindringliche Darstellung dessen, dass nationale Regierungen und internationale Organisationen nicht darauf vorbereitet sind, mit den wahren Bedrohungen der Zivilisation wie Nuklearwaffen und dem Klimawandel umzugehen.“
Der frühere Gouverneur Kaliforniens und Vorstandsvorsitzender des Bulletin of the Atomic Scientists, Jerry Brown, sagte:
“Die USA, Russland und die Atommächte der Welt müssen aufhören, sich gegenseitig anzuschreien. Es ist Zeit, die Nuklearwaffen abzuschaffen und nicht noch mehr davon zu bauen. Das Gleiche gilt für den Klimawandel – die USA, China und andere große Staaten müssen die Verringerung des tödlichen CO2 Ausstoßes ernsthaft angehen – und zwar jetzt. Es ist 100 Sekunden vor Mitternacht. Wacht auf!“
Dr. Steve Fetter, Professor für Öffentliche Ordnung an der University of Maryland und Mitglied des Wissenschafts- und Sicherheitsgremiums des Bulletin of the Atomic Scientists, sagte:
„Die Modernisierung und Erweiterung nuklearer Arsenale in etlichen Ländern, verbunden mit einem Mangel an diplomatischen Anstrengungen, nukleare Risiken zu reduzieren, haben die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe erhöht. Die Entwicklung von Stratosphären-Gleitflugkörpern, Raketenabwehrsystemen und Trägersystemen, die sowohl mit konventionellen als auch nuklearen Sprengköpfen bestückt werden können, erhöht während einer Krise die Gefahr von Fehleinschätzungen. Nach unserer Bewertung vergrößerte sich 2020 die seit 75 Jahren andauernde Bedrohung, dass die Welt in einen Atomkrieg stolpert.“
Dr. Susan Solomon, Lee und Geraldine Martin, Professorin für Umweltforschung am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Gründungsdirektorin der MIT Environmental Solutions Initiative und Mitglied des Wissenschafts- und Sicherheitsgremiums des Bulletin of the Atomic Scientists erklärten:
„Die pandemiebedingte Verlangsamung der Wirtschaft reduzierte vorübergehend den CO2 Ausstoß, der für die globale Erwärmung verantwortlich ist. In den kommenden zehn Jahren muss jedoch der Einsatz fossiler Brennstoffe drastisch verringert werden, wenn die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels verhindert werden sollen. Stattdessen ist es vorgesehen, die Entwicklung und Produktion fossiler Brennstoffe weiter voranzutreiben. Die Konzentration der Treibhausgase erlangte 2020, einem der wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, ein neues Rekordhoch. Die massiven Buschbrände und tropischen Wirbelstürme in diesem Jahr sind Beispiele der immensen Verwüstungen, die noch weiter zunehmen werden, wenn die Regierungen nicht erheblich und rasch ihre Anstrengungen verstärken, die Emission von Treibhausgasen im Prinzip auf null zu reduzieren.“
Der Gouverneur von Hiroshima, Hidehiko Yuzaki sagte:
„Trotz des langersehnten Wunsches aller Atombombenopfer, diese Waffen abzuschaffen, gibt es weltweit noch immer mehr als 13.000 Nuklearwaffen und die Atommächte sind weiter dabei, ihre nukleare Streitkraft zu modernisieren. Schlimmer noch, die nukleare Abrüstung stagniert weiter und verschärft weiter die globalen Spannungen.“
Ellen Johnson Sirleaf, Präsident und Co-Vorsitzender des von der WHO eingesetzten unabhängigen Gremiums für die Bereitschafts- und Reaktionsplanung in Pandemiezeiten, Nobelpreisträger, früherer Präsident Liberias und Mitglied der Gruppe The Elders, erklärte:
„Covid-19 ist eine schreckliche Warnung vor Selbstgefälligkeit angesichts der globalen Bedrohungen für die gesamte Menschheit. Die vergangenen zwölf Monate haben die Botschaften verstärkt, die das Bulletin of the Atomic Scientists seit Jahrzehnten verbreitet: Nur durch gemeinsames Handeln und verantwortungsvolles Leadership können wir einen friedlichen und bewohnbaren Planeten für künftige Generationen sicherstellen. Die neue Präsidentschaft von Joe Biden bietet die Chance, dass die USA wieder ihre Verpflichtung gegenüber den Werten und Institutionen des Multilateralismus erklärt. Für die Menschheit gibt es keinen anderen Weg, die Gefahren zu überwinden, die durch Pandemien, Klimawandel und das Risiko eines Atomkriegs ausgelöst werden.“
Dr. Asha M. George, Geschäftsführerin der Bipartisan Commission on Biodefense und Mitglied des Wissenschafts- und Sicherheitsgremiums des Bulletin of the Atomic Scientists, sagte:
„Die Menschheit leidet weiter durch die weltweite Verbreitung von Covid-19. Alleine 2020 hat diese neue Krankheit 1,7 Millionen Menschenleben gefordert und mindestens weitere 70 Millionen Menschen sind daran erkrankt. Die Pandemie zeigt genau, wie unvorbereitet und unwillig die Länder und das internationale System sind, angemessen mit globalen Notsituationen umzugehen. In dieser Zeit der Krise haben sich Regierungen zu oft der Verantwortung entzogen, wissenschaftlichen Rat ignoriert, ineffektiv kommuniziert oder kooperiert und dadurch schließlich versagt, die Gesundheit und das Wohlergehen ihrer Bürger zu schützen.“
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Welche Schritte sollten unternommen werden, um sich nuklearen, klimatischen oder anderen großen Bedrohungen entgegenzustellen? Die folgenden Ansätze sind Teil der wichtigsten Empfehlungen:
- Die Präsidenten der USA und Russlands können und sollten ein neues START Abkommen auf einen längstmöglichen Zeitraum abschließen, um die beiden größten Arsenale an nuklearen Waffen auf dem derzeitigen Stand einzufrieren.
- Nun, da die Vereinigten Staaten angekündigt haben, dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten, sollten sie ihre Verpflichtung zur Entkarbonisierung forcieren und Maßnahmen einsetzen, die das Erreichen dieses Ziels gewährleisten.
- Nun, da die Vereinigten Staaten wieder der WHO beigetreten sind, sollten sie gemeinsam mit der WHO und anderen internationalen Organisationen an der Reduzierung biologischer Risiken aller Art arbeiten.
- Die USA sollten sich verpflichten, nicht als erste Atomwaffen einzusetzen und ihre Alliierten und Rivalen überzeugen, dass eine Nichtangriffsverpflichtung ein Schritt hin zu Sicherheit und Stabilität ist.
- Russland kann dem NATO-Russland-Rat wieder beitreten und ernsthafte Verhandlungen über Risikoreduzierung und die Vermeidung von Gefahreneskalation aufnehmen.
- Nordkorea kann der Festschreibung und Verifizierung seines Moratoriums über Tests nuklearer und Langstreckenraketen zustimmen.
- Der Iran und die Vereinigten Staaten können gemeinsam zur kompletten Einhaltung des Iran-Abkommens zurückkehren und der Iran kann neuen und erweiterten Gesprächen über die Sicherheit im Nahen Osten und über die Einschränkung seines Raketenprogramms und anderer militärischer Aktivitäten zustimmen.
- Die neue US-Administration kann Führungspositionen in wissenschaftsrelevanten Behörden auf Grundlage wissenschaftlicher Expertise und Empfehlungen besetzen; Eingriffe in die Erstellung und Verbreitung wissenschaftlicher Berichte der ausführenden Behörden verbieten; sich bestmöglich an wissenschaftlichen Gegebenheiten orientieren, um politische Handlungsempfehlungen zu erteilen; den Wissenschaftlern der Regierung ermöglichen, die Öffentlichkeit an ihrer Arbeit teilhaben zu lassen sowie Mittel bereitstellen, um die internationale Zusammenarbeit der Wissenschaftler zu verbessern und zu stärken.
- Die Regierungen, die großen Kommunikationsunternehmen, akademische Experten und die zuständigen Medienorganisationen können zusammenarbeiten, um praktikable und ethische Wege zu erschließen, die die Desinformationen und Falschinformationen im Internet bekämpfen.
Pressenza New York
Übersetzung aus dem Englischen: Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam
Die Veröffentlichung erfolgt im Rahmen unserer Medien-Partnerschaft mit Pressenza