E-Autos weiter mit Startproblemen

E-Autos weiter mit Startproblemen
faz.net: Elektroautos verkaufen sich schlechter als erhofft. Jetzt setzt die Autoindustrie wieder stärker auf den Verbrennungsmotor. Ausgerechnet China geht voran.
Ende Mai wurde in London ein Unternehmen gegründet, dessen Geschäftszweck noch vor Kurzem als wenig zukunftsträchtig gegolten hätte – doch plötzlich scheint es wieder ziemlich gut in die Zeit zu passen. Die Horse Powertrain Limited entwickelt und fertigt nämlich im großen Stil Verbrennungsmotoren und Getriebe für Autos. Fünf Millionen Benzin- und Dieselaggregate will das Unternehmen jährlich bauen und damit ein weltweit führender Hersteller werden.
Horse kommt auf einen Jahresumsatz von 15 Milliarden Euro, hat 19.000 Mitarbeiter und 17 Fabriken in Europa, China und Südamerika. Der neue Motorenriese ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Autohersteller Renault aus Frankreich und Geely aus China, der in Deutschland vor allem als Großaktionär von Mercedes bekannt ist.
Die beiden Partner haben ihre jeweiligen Geschäfte mit Verbrennungsmotoren in das Joint Venture eingebracht. Seit Ende Juni ist noch ein weiterer Investor an Bord: Der weltgrößte Ölkonzern Saudi Aramco kaufte 10 Prozent der Anteile.
Lesen Sie auch:
Das Timing für die Firmengründung ist ziemlich perfekt, denn der Verbrennungsmotor wird im Auto womöglich länger gebraucht als noch vor Kurzem erwartet. Die Ernüchterung ist jedenfalls groß in den Chefetagen der Autoindustrie. Die neuen Elektroautos, in die die Hersteller viele Milliarden investiert haben, verkaufen sich schlechter als erhofft.
„Wir haben gerade den Peak der Elektroauto-Aversion erreicht“
Von einer „Rückkehr des Verbrennungsmotors in Europa“, spricht der Automarktanalyst Matthias Schmidt. Totgesagte leben länger, sagt das Sprichwort. Die Elektromobilität hat dagegen derzeit bei den Kunden einen schweren Stand. „Wir haben gerade den Peak der Elektroauto-Aversion erreicht“, sagt Patrick Hummel, Automobilexperte der Großbank UBS.
Und Stefan Hartung, Chef des weltgrößten Autozulieferers Bosch, mahnt diese Woche im F.A.S.-Interview zu „Demut vor dem Konsumenten“: Am Ende entschieden die Kunden, ob sie jetzt zum E-Auto wechselten – oder eben nicht.
Andererseits wächst der Handlungsdruck beim Klimaschutz im Straßenverkehr. Wenn die Bürger einfach weiter mit Benzin und Diesel fahren, werden die Klimaschutzziele kaum zu erreichen sein. In Deutschland ist kein Sektor so weit weg vom Klimaschutz-Zielpfad wie der Verkehr.
Von 100 in Deutschland zugelassenen Autos sind bislang 94 Verbrennerfahrzeuge – und die schlucken immer mehr Sprit: Der Durchschnittsverbrauch von Neuwagen ist heute höher als vor zehn Jahren.
Erschwerend hinzu kommt, dass die Bundesregierung Ende 2023 aus Geldnot die staatlichen Kaufzuschüsse abrupt beendet hat. Im ersten Halbjahr sind daraufhin die Verkaufszahlen in Deutschland um 16 Prozent gesunken, während der Absatz von Autos mit Benzin- und Dieselmotoren wuchs.
Das E-Auto sei in Deutschland „erfolgreich kaputtgeredet“ worden, sagt sarkastisch ein Vertreter eines deutschen Herstellers. Dass es auch anders geht, sieht man zum Beispiel in Frankreich und Großbritannien, wo sich die Elektrofahrzeuge besser verkaufen.
Bedrohte Jobs in den E-Autofabriken
Die Hersteller wurden kalt erwischt von der E-Auto-Flaute. Die VW-Tochter Audi kündigte diese Woche eine mögliche Schließung einer Elektroautofabrik in Brüssel mit 3000 Mitarbeitern an. Es wäre die erste Werksschließung im Volkswagen-Konzern seit 36 Jahren.
Und bei der Kernmarke VW fallen im Werk Zwickau 1000 Jobs von befristet beschäftigten Mitarbeitern weg. Dort wird das Kompaktmodell ID.3 gebaut. Stark abhängig vom E-Auto sind auch die VW-Fabriken in Emden und Hannover. Insgesamt kommen die drei Werke auf rund 30.000 Mitarbeiter.
Die Autofahrer bleiben ihren Benzinern und Dieselfahrzeugen länger treu als erwartet – und genau darauf zielt das Geschäftsmodell des neuen französisch-chinesischen Motorenherstellers Horse ab. „Es gibt keine Wunderwaffe, um nachhaltige Mobilität zu erreichen“, heißt es auf der Firmenhomepage.
Das batterieelektrische Auto allein werde den Straßenverkehr nicht klimaneutral machen. Horse fertigt auch Verbrennungsmotoren für Hybridautos, also für Wagen, die teils elektrisch, teils mit fossilen Brennstoffen fahren.
Auch sogenannte „Range Extender“ zählen zur Modellpalette. Das sind Verbrennungsmotoren, die in E-Autos wie ein Notstromaggregat einen Generator antreiben. Sie ermöglichen kleinere Batterien und größere Reichweiten.
Horse will außerdem „ein Pionier“ beim Antrieb von Verbrennungsmotoren mit klimaschonenden Synthetik-Treibstoffen (E-Fuels) auf Wasserstoffbasis sein. Zu den Abnehmern der Motoren zählen neben Renault und Geely auch die japanischen Hersteller Mitsubishi und Nissan.
„Langfristig wird sich das E-Auto durchsetzen“
Es ist nicht so, dass die Automanager grundsätzlich am Elektroauto zweifeln, schon allein deshalb nicht, weil sie bereits so viel Geld in diese Technologie investiert haben. „Langfristig wird sich das E-Auto durchsetzen – und das ist mit Blick auf die Klimaziele aus meiner Sicht auch gut und richtig so“, stellt Bosch-Chef Hartung klar. Der Autozulieferer erwartet, dass 2035 jeder zweite Neuwagen auf der Welt vollelektrisch sein wird… weiterlesen