Energiewende in Norwegen: Abgucken erlaubt!
Energiewende in Norwegen: Abgucken erlaubt!
Norwegen ist vor allem bekannt für seine Natur: atemberaubende Fjorde, glasklare Seen, schroffe Berge. Zuletzt kam dann noch die “Naturgewalt” Erling Haaland dazu – einer der besten Mittelstürmer der Welt. Woran die wenigsten bei Norwegen aber denken: Energiewende. Dabei gehört Norwegen hier zur Weltspitze. Entsprechend lohnt sich ein Blick zum (gefühlten) Nachbarn im Norden.
Schauen wir zunächst auf das Thema Strom, das in diesen Tagen dringlicher denn je erscheint. Bereits heute stammen 98,5 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien. Hier spielt Wasserkraft mit 87 Prozent eine wichtige Rolle, aber auch beim Thema Wind und Sonne haben die Norweger:innen ihre Hausaufgaben gemacht. Die Hausaufgabenhilfe hier ganz klar: fehlende Bürokratie.
Ich bin kein Freund von Klischees und Stereotypen. Aber leider stimmt es: Deutschland ist zu regelverliebt, zu bürokratisch, zu verwaltungslastig. Es läuft hier alles ein bisschen langsamer als im Norden. (Eigentlich verwunderlich, wenn man doch an diese entspannten Norwegerinnen und Norweger denkt, oder?!)
Norweger mit Spitzenplatz(noch) noicht zufrieden
Zugegeben, Teil der Wahrheit ist auch, dass Norwegen erneuerbare Ressourcen im Überfluss besitzt. Dazu gehört aber auch: Sie haben früh damit angefangen. Wenn wir die letzten Jahrzehnte nicht verschlafen hätten, würden wir heute auch wesentlich besser dastehen. Vermutlich nicht so gut wie Norwegen, aber deutlich besser als jetzt. Schauen wir uns hierfür eine andere Zahl an: Den Anteil an erneuerbaren Energien insgesamt.
Norwegen belegt aktuell weltweit Platz 3 mit einem Anteil von 50,4 Prozent. Nur Island und Schweden waren besser. Das Schöne daran: Norwegen reicht das nicht, sie sind eher enttäuscht: „(…) Aber der Anteil muss wohl auf 80 Prozent erhöht werden, wenn Norwegen seine Klimaziele 2030 erreichen soll. Deshalb haben wir eine schlechte Zeit“, sagt Knut Kroepelien, CEO des Unternehmerverbandes Energi Norge.
Und wie sieht es in Deutschland aus? 2021 wurden 19,7 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt. Wie zufrieden kann Deutschland damit sein?
Was machen die Norweger anders als wir?
Hier fällt mir direkt ein Buzzword unserer Zeit ein: Mindset. Ja, Energiewende ist auch ein Mindset-Thema. Was ich damit meine: In Norwegen ist die Energiewende nicht nervig – sie ist spannend! Sie wird als Chance wahrgenommen. Innovation, Investition, Zukunft. Dafür schafft die Regierung auch finanzielle Anreize. Die Bürger:innen spüren echten Vorteil und haben Lust auf die neue Technologie. Während wir hier also weiter über Regeln und Verbote grübeln und darüber diskutieren, wie viel Kohle und Atomkraft wir noch brauchen, sind uns die Norwegerinnen und Norweger bereits 10 Jahre voraus. Da wäre die Sache mit der Solarenergie.
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Solarenergie müsste in Norwegen ja eigentlich ziemlich unbeliebt sein, oder? Immerhin versinkt das Land ein halbes Jahr in Dunkelheit und Gemütlichkeit. Vermutlich weil das genau so ist, gibt der Staat Extra-Motivationshilfe. Zum Beispiel spendiert der Staat seit Februar 2022 für private Anlagen bis zu 20 kWp, umgerechnet also bis zu 5.500 Euro. Damit wurde das bisherige Angebot des Staates um das doppelte erhöht. Und was passiert dann? Richtig. Die Nachfrage nach Solar steigt – und zwar massiv! Seit der Änderung ist die Nachfrage nach PV-Anlagen um fast 300 Prozent explodiert. Was gleichzeitig noch passiert: Für viele kleine Solaranlagen entfällt das komplizierte und langwierige Genehmigungsverfahren.
Und auch beim Thema Einspeisevergütung macht Norwegen vor, wie es sein könnte. Die ist nämlich, anders als in Deutschland, an den realen Strompreis gekoppelt. Das hat zur Folge, dass es für die Norweger:innen super sinnvoll ist, selbst-produzierten und nicht-benötigten Strom zurück ins Netz einzuspeisen. So kann Solarenergie richtig Spaß machen!
Finanzielle Anreize schaffen
Ein Blick zurück nach Deutschland. Bleiben wir kurz bei der Einspeisevergütung. Meiner Meinung nach muss diese in Deutschland drastisch steigen. Dafür müssen auch endlich die bürokratischen Hürden für Endkund:innen abgebaut werden. Ähnlich sieht es bei der staatlichen Förderung für PV-Anlagen aus. Diese wurden nahezu abgeschafft. Geblieben sind günstige staatliche KfW-Kredite für Anlagen und Batteriespeicher. Darüber hinaus “dürfen” Bundesländer und Kommunen eigene Förderprogramme kreieren. Und da haben wir noch das im Juli 2022 verabschiedete “Osterpaket”. Die leicht gestiegene Einspeisevergütung schafft zwar zusätzliche Anreize und die Anmeldung bei den Netzbetreibern ist tatsächlich leichter, aber hier haben wir immer noch Luft nach oben.
Vorsicht vor dem “Installationsinfarkt”
Die Ampel wird noch sehr viel zu tun haben, wenn sie ihre eigenen Ziele erreichen wollen. Bis 2030 soll hier bei uns die Solarleistung von 59 auf 215 Gigawatt steigen. Die Frage ist, wo die ganze Solarenergie herkommt? Was sicherlich hilft, ist, dass jetzt für kleinere Photovoltaik-Anlagen (bis zu einer Leistung von 30 kWp) die Umsatz- und Einkommensteuer im nächsten Jahr entfällt. Ein guter Schritt, bitte mehr davon!
Wie wäre es zum Beispiel mit guten Antworten auf den Fachkräftemangel? Denn wie sollen die ganzen PV-Anlagen auf die Dächer kommen? Uns droht ein echter “Installationsinfarkt”. Ein modernes Umschulungsangebot würde helfen. Denn das Installieren von Solarmodulen ist für fähige Handwerker und talentierte Amateure sehr machbar. Wie machbar? Zwei-Tage-machbar. So wird es gerade in Österreich gemacht. Monteure, Dachdecker, Installateure und Elektrotechniker sind nach einem zweitägigen Blitzseminar Solar-ready. Hier wäre ein zusätzlicher Anreiz sicher nicht verkehrt.
Ja, ein Vergleich zwischen Norwegen und Deutschland ist schwierig. Immerhin leben in ganz Norwegen so viele Menschen wie in Berlin und Hamburg zusammen. (Dabei ist Norwegen als Land sogar noch ein kleines Stück größer als Deutschland.) Aber das Land bietet uns viele Möglichkeiten, sich etwas abzugucken. Wir erleben das auch bei der E-Mobilität. Norwegen “bestraft” den Verkauf von Verbrennungsmotoren mit einer Mehrwertsteuer von 25 Prozent und weiteren Sonderabgaben von CO2, Stickstoff, Gewicht sowie einer extra Einfuhrgebühr. Oder anders gesagt: Für alle E-Autos entfallen diese Kosten komplett! (Hier haben wir wieder das Thema Mindset.) Norwegen hat erkannt, dass ihre E-Autos gleichzeitig auch mobile Energiespeicher sind. Wenn wir jetzt clever sind, können wir das auch. Also Deutschland, das Rennen läuft bereits.
Christian Rahn
Über den Autor:
Christian Rahn ist Geschäftsführer von Otovo Deutschland. Ursprünglich aus Norwegen kommend bringt die Solar-Plattform klima- und preisbewusste Hausbesitzer mit kompetenten Solarinstallateuren zusammen. Das Unternehmen demokratisiert mit günstigen Preisen und großer Transparenz die Branche – und übernimmt die lästigen Aufgaben der Energiewende , indem es nicht nur bürokratische Hürden abbaut, sondern auch die zeitintensive Handwerkersuche stemmt.
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