Geht Deutschland das Wasser aus?

Geht Deutschland das Wasser aus?
wiwo.de: Die Deutschen fürchten eine Wasserknappheit, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. Wie real das Problem ist und was knappe Wassermengen für Unternehmen bedeuten, erklärt Hydrologe Dietrich Borchardt.
In Zeiten des Klimawandels ist die drohende Wasserknappheit auch in Deutschland eine Herausforderung. Viele Bürgerinnen und Bürger befürchten, dass sich das Problem weiter verschärft. So äußern im aktuellen DeutschlandTrend für das ARD-Morgenmagazin sieben von zehn Befragten (72 Prozent) große oder sehr große Sorgen, dass durch den Klimawandel viele Wälder vertrocknen. 63 Prozent glauben, es könnte bald zu wenig Wasser für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen. Und mehr als jeder Zweite (55 Prozent) ist besorgt, dass es in Zukunft einen Trinkwasser-Mangel geben könnte. Wie real ist das Problem?
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WirtschaftsWoche: Herr Borchardt, wie realistisch ist die Angst der Deutschen, unter einer Wasserknappheit zu leiden?
Dietrich Borchardt: Wir reden jetzt schon von einer Betroffenheit, die auf unterschiedliche Art viele Lebens- und Wirtschaftsbereiche betrifft. Engpässe und Knappheiten müssen nach der jeweiligen Nutzung differenziert werden: Das heißt zum Beispiel, dass wir zwar eine Wasserknappheit in der Landwirtschaft, nicht aber im Trinkwasserbereich haben.
Also müssen wir uns in Deutschland erst mal nicht um unser Trinkwasser sorgen?
Nein. Wir haben hierzulande ein robustes Rückgrat für die Trinkwasserversorgung. Zwei Drittel des deutschen Trinkwassers stammt aus tiefen Grundwasserschichten, die nur langsam auf trockene Zeiten reagieren. Der Rest kommt aus Talsperren und natürlichen Speichern wie Seen. Dieses Wasser wird über gut ausgebaute und unterhaltene Trinkwassernetze verteilt, an die praktisch alle Haushalte angeschlossen sind.
In welchen Regionen ist die Gefahr für Engpässe am größten?
Unter Wasserknappheit leiden vor allem die Regionen, in denen es weniger regnet, die eine bestimmte Boden- und Grundwasserbeschaffenheit haben und in denen es keine großen Oberflächengewässer gibt. Dazu gehören zum Beispiel Regionen in Oberbayern, das Main-Gebiet und Nordostdeutschland.
Dass die Natur unter Wasserknappheit leidet, ist allgegenwärtig. Flüsse haben niedrige Wasserstände, Wälder trocknen aus. Wie sieht es aus der ökonomischen Perspektive aus: Vor welche Probleme könnte eine Wasserknappheit Unternehmen stellen?
Unternehmen müssen drei Aspekte beachten: Zum einen sollte geklärt werden, wie stark die Produktion und die Produktionskette von Wasser abhängig ist und ob an ihrem Standort Wasser in ausreichender Menge und Qualität dauerhaft vorhanden ist. Dann sollte nach den Kosten gefragt werden: Gibt es Nutzungsgebühren für das Wasser und wohin werden sich diese entwickeln? Als Drittes müssen die Schadenspotenziale geklärt werden. Wir erinnern uns an die Flut im Ahrtal: Ist das Unternehmen an dem gewählten Standort extremen Ereignissen ausgesetzt und kommen zusätzliche Versicherungsrisiken auf sie zu?
Tesla will die Gigafactory erweitern. Der US-Elektroautobauer sucht im trockenen Brandenburg nach neuen Wasserquellen. Wird Wasser bald zu einem Standortfaktor?
Auf jeden Fall. Teslas Entscheidung für Brandenburg hing vor allem mit dem Thema regenerative Energien für die Produktion zusammen. Die Wassersicherheit wurde damals noch vernachlässigt, jetzt hat das Unternehmen jedoch Probleme, an genügend Wasser zu kommen. Interessant ist der Punkt auch bei der neuen Chipfabrik von Intel, die in Magdeburg gebaut werden soll. Hier gibt es genügende Mengen Wasser. Das war zwar nur ein Kriterium von vielen, aber ein essenzielles.
Dann hat Tesla also die schlechtere Standortentscheidung getroffen?
Das kann man im Moment nicht abschließend beurteilen. Offensichtlich hat bei der Planung niemand damit gerechnet, dass Wasser zum Problem werden könnte. Jetzt wird nach einer Lösung gesucht, um Tesla diese Wassersicherheit zur Verfügung zu stellen – das bedeutet vor allem Zusatzaufwand, kann aber auch zum Innovationstreiber werden. Sollten die benötigten Mengen nicht auftreibbar sein, muss kreativ gespart werden, zum Beispiel mit Methoden zur internen Aufbereitung und Recycling von Wasser. Das ist mittlerweile zu einer Benchmark zwischen verschiedenen Automarken geworden, die vergleichen, wer bei der Produktion ihrer Autos am wenigsten Wasser verbraucht… weiterlesen