Industrielösung für Klimaschutz reduziert CO2

Industrielösung für Klimaschutz reduziert CO2
Das System enlynx-EPC von Friedrich Riempp kombiniert energieeffiziente Anlagentechnik mit Energie- und Lastmanagement, um ohne Komfortverlust rund zehn Prozent CO2 einzusparen. FOTO: ENLYNX

Industrielösung für Klimaschutz reduziert CO2

Riempp-Gruppe hat ihr Energiemanagementsystem umfassend weiterentwickelt. Die Politik begünstigt eine Markteinführung.

Bewegungsmelder auf Toiletten oder an Hauseingängen sind den Bürgern seit Jahrzehnten vertraut: Das Licht geht nur an, wenn es benötigt wird. Dafür sorgt ein Sensor. Nach diesem Prinzip hat der Elektrotechnikspezialist Riempp in Oberboihingen über 15 Jahre ein ganzes System für den industriellen Einsatz entwickelt, das neben der WC-Beleuchtung aus diesem Beispiel in Firmen rund 250 weitere Einsatzmöglichkeiten umfasst.

So fährt die Heizung in Besprechungsräumen nur hoch, wenn sie via Outlook im Terminkalender von Mitarbeitern „erfährt“, dass dort von 9 bis 12 Uhr eine Besprechung stattfindet. Oder die Heizung im Büro des Vertriebsmitarbeiters bleibt zwei Wochen aus, weil dieser auf Geschäftsreise in Asien ist. Und würde jemand dort das Fenster öffnen, wo die Heizung läuft, schaltet sich diese automatisch zurück. Entwickler Friedrich Riempp über sein Energiemanagementsystem (EMS): „Wir haben die Software schon 2015 so programmiert, dass nie zwei Systeme, z.B. Kühlung und Heizung, gegeneinander arbeiten können.“ Das klingt für den Laien logisch, widerspricht jedoch der gängigen Praxis in der Geschäftswelt.

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Komplexe Haustechnik überfordert Hausmeister

In Shopping Malls etwa, in denen gleichfalls Riempps EMS-Lösung Emsyst 4.0 teils seit vielen Jahren im Einsatz ist, läuft oft im Sommer noch die Heizung, die im Winter hochgefahren worden ist, während parallel die Kühlung arbeitet, weil Mieter die Hitze reklamieren. Riempp: „Das hängt damit zusammen, dass die Haustechnik heute meist so komplex, digital und vernetzt ist, dass Hausmeister damit teils überfordert sind.“

Und um im Beispiel zu bleiben: Moderne Gebäude wie Shopping Malls, Autohäuser oder Bürogebäude verfügen heute vermehrt auch über einen wasserbasierten Eisspeicher, der die Kälte des Winters in gigantischen unterirdischen Zisternen speichert und bis in den Sommer hinein dem Gebäude zur Kühlung zur Verfügung stellt.

Oder auf Dach und an der Fassade sind PV-Module, die Strom produzieren, den der Betreiber tagsüber vorrangig nutzt. Damit spart er ein Vielfaches an Stromkosten, entlastet das öffentliche Netz und senkt den CO2-Ausstoß.

Mit seinen 250 Mitarbeitern an drei Standorten in der Region ist Riempp der elektrotechnische Hausmeister von rund 100 Industriebetrieben, deren Maschinen und technische Anlagen er als externer Dienstleister wartet. Dadurch ist er seit Jahrzehnten extrem dicht am Energieverbrauch seiner Kunden dran und hat – ähnlich wie die Verbräuche von Pkw seit Jahrzehnten sinken – die Maschinen seiner Kunden und den Stromzufluss aus dem öffentlichen Netz so optimiert, dass deren Energiebedarfe teils um 20 und mehr Prozent gesunken sind.

Stromverbrauch und -speicherung zentral gesteuert
Foto: Riempp-Gruppe

Weil sich der Strompreis in der Industrie nicht nur nach dem Verbrauch berechnet, sondern auch nach Grund- und Spitzenlast, hat Riempp seine Software so ausgelegt, dass der Verbrauch seiner Nutzer möglichst kontinuierlich erfolgt. Ein Beispiel: Statt zu Schichtbeginn um 6 Uhr alle Maschinen gleichzeitig hochzufahren (und noch die e-Autos der Mitarbeiter an die Wallbox anzuhängen), definiert die Steuerung, in welcher Reihenfolge was hochgefahren oder zwischenzeitlich heruntergefahren wird, um möglichst gleichförmig möglichst wenig Strommenge extern zu beziehen.

Hier kommen die diversen Speichermöglichkeiten ins Spiel, die mit dem technologischen Fortschritt und der steigenden Relevanz immer höherer Energiekosten immer häufiger eingesetzt werden. Denn Riempps Software-Lösung bezieht auch diese Reserven in das Gesamtsystem ein: Dann werden etwa Spitzenlasten nicht aus dem öffentlichen Netz gedeckt, was sich deren Betreiber teuer bezahlen ließe, sondern der Mehrbedarf wird aus den internen Speichern zugeführt. Diese werden dann in Schwachlastzeiten wieder gefüllt, wenn etwa am Wochenende die PV-Anlage Strom produziert, ohne dass im Werk gearbeitet wird.

Enlynx-EPC, so der offizielle Produktnamen, kann auch so programmiert werden, dass bestimmte Produktionsprozesse nur dann erfolgen, wenn intern „überschüssiger“ Strom vom Dach oder aus Abwärme zur Verfügung steht oder dem öffentlichen Netz eine Überlastung drohen würde – und die Firma deshalb preisgünstig ihre Speicher bevorraten kann. Denn ab bestimmten Verbrauchsmengen werden die Strompreise dank Smart Grids, das sind digitale Messstellen, 15-minütig abhängig von Angebot und Nachfrage variabel berechnet.

Die Oberboihinger haben seit 15 Jahren Erfahrung mit dieser Thematik und haben ihre Software der steigenden Komplexität und den politischen Rahmenbedingungen, Stichwort CO2-Steuer, Fördergelder etc., immer weiter angepasst. Aktuell kann die Riempp-Lösung bis zu 250 verschiedene Schnittstellen von der Heizung über die Produktionsmaschine oder besagter WC-Beleuchtung auf Verbrauchsseite und Speichern und regenerativen Energiequellen auf Erzeugerseite miteinander vernetzen. Und bei Bedarf wäre das System, das sich wegen funkgesteuertem Datenaustausch in Bestandsgebäuden kabellos installieren lässt, beliebig erweiterbar.

Sieben bis elf Prozent Energie und ähnlich viel CO2 spart enlynx-EPC gemäß bisherigen Erfahrungswerten Anwendern pro Jahr ohne Komfortverlust. Das teilt sich laut Riempp in vier bis fünf Prozent geringere Stromkosten und fünf bis sechs Prozent Stromeinsparung durch aktives Energiemanagement. Mit der Fuji Seal Germany GmbH in Aichtal geht die Software-basierte Lösung nun erstmals in den realen Betrieb.

Kunde könnte Energiekosten in Millionenhöhe sparen

Der japanische Verpackungskonzern, der schon länger Industriedienstleistungen der Riempp-Gruppe nutzt, kam 1978 nach Aichtal und beschäftigt hier aktuell 210 Mitarbeiter in zwei Sparten: Dem Etikettendruck und dem Bau von Etikettier-Maschinen. Vergleichbare Werke unterhält der Konzern in Polen und Italien, weshalb Standortkosten wie etwa die Ausgaben für Energie stets ein Kriterium sind.

Mit einem zweiten Industriebetrieb in der Region, der Energiekosten von einer Million Euro pro Jahr an seinem Standort hat, laufen laut Riempp konkrete Gespräche. Und mit zwei Fleisch-Verarbeitern sei er im Dialog. Der Energiespar-Pionier: „Wir lernen durch die unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten bei jedem Kunden dazu und können unser System Kunden-spezifisch auf unterschiedlichste Anforderungen anpassen.“ Wegen seines EMS emsyst 4.0, das die Basis bildet, werde die Lösung vom Bund mit 30 bis 40 Prozent gefördert, abhängig von der Unternehmensgröße.

Riempps CO2-Reduktionslösung spielen zudem EU und Bund mit ihren gesetzlichen Vorgaben in die Karten: Demnach müssen die Mitgliedsstaaten bis 2045 Treibhausgas-neutral sein und Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 seine Emissionen gegenüber 1990 um 65 Prozent zu reduzieren. Darauf haben sogar die Karlsruher Verfassungsrichter die Regierung bereits verpflichtet. Und in der Industrie setzen immer mehr Konzerne ihren Lieferanten gewisse CO2-Grenzen.

Leonhard Fromm



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