Jetzt droht der Kollaps des Weltklimavertrags
Jetzt droht der Kollaps des Weltklimavertrags
welt.de: Das 2015 in Paris beschlossene Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wird dadurch immer unrealistischer.
Xia Yingxian ließ nichts anbrennen. Nur einen Tag nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten stellte Chinas Chef-Klimaverhandler etwas klar: Als Zahlmeister für internationale Klima-Beihilfen stehe die Volksrepublik auch künftig nicht zur Verfügung. Fünf Tage vor Beginn der 29. Weltklimakonferenz in Aserbaidschan begannen damit die Totenglöckchen über dem Klimaschutzprozess der Vereinten Nationen zu läuten.
In Aserbaidschans Hauptstadt Baku wollen die Vereinten Nationen ab Montag die Kernfrage auf globaler Ebene beantworten: Wer zahlt wem wie viel für CO₂-Einsparung und Anpassung an den Klimawandel? Die Erfolgsaussichten auf eine Einigung waren schon vor Trumps Wahl gering. Jetzt gehen sie gegen Null. Das 2015 im Weltklimavertrag von Paris beschlossene Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, gerät damit vollends außer Reichweite.
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Es liegt am Geld. Die 197 Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention hatten 2009 auf der Klimakonferenz von Kopenhagen vereinbart, dass die Industrieländer den Entwicklungsländern pro Jahr 100 Milliarden US-Dollar Klimagelder zur Verfügung stellen – in Form von Transferzahlungen, Darlehen und privaten Investments. Das Ziel wurde 2022 mit zweijähriger Verspätung erreicht. Ab 2025 aber muss eine Anschlussfinanzierung her, das verlangt das Abkommen von Paris. Kommt es nicht zu einer Einigung auf ein neues Finanzziel, im Jargon der Verhandler „New Collective Quantified Goal on Climate Finance“ (NCQG) genannt, dürfte sich das spürbar auf die staatlichen Ambitionen im Klimaschutz auswirken.
Denn laut Paris-Vertrag sind die Staaten gehalten, ihre CO₂-Einsparpläne im Frühjahr 2025 so zu verschärfen, dass ein globaler Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden kann. Diese „Nationally Determined Contributions“, kurz NDC genannt, sollen auf der großen Jubiläumskonferenz COP30 Ende kommenden Jahres in Brasilien beschlossen werden. Doch um ihre NDC entsprechend anschärfen zu können, verlangen die Entwicklungsländer eine immense Aufstockung internationaler Finanzhilfen.
Die „COP29“ genannte Konferenz der Vertragsstaaten („Conference of the Parties“) in Baku hat Vorschläge auf dem Tisch. Eine Expertengruppe hatte im Auftrag des Weltklimasekretariats UNFCCC den Finanzbedarf der Entwicklungsländer – ohne China – in einer Studie ermittelt. Um den CO₂-Ausstoß zu senken und sich an den Klimawandel anzupassen, wären bis 2030 jährlich 2,4 Billionen Dollar nötig, davon eine Billion, also 1000 Milliarden Dollar pro Jahr, als direkte externe Hilfe.
Auch die Gruppe der Afrikanischen Staaten oder die Gruppe der „Gleichgesinnten Entwicklungsländer“, der China, Indien und Saudi-Arabien angehören, halten ab 2025 eine Klimafinanzierung der Industrieländer von mehr als 1.000.000.000.000 Dollar pro Jahr für nötig. Die Billionen-Summe stellt eine Verzehnfachung bisheriger Finanztransfers an Entwicklungsländer dar.
Peking nennt keine Summen
Dass die internationale Klimafinanzierung nur annähernd auf diese Summe aufgestockt werden kann, scheint illusorisch. Nach Trumps Wiederwahl dürften die USA aus dem Klimaprogramm der UN aussteigen und als Zahlmeister ausfallen. So hatte es Trump bereits in seiner ersten Amtszeit nach 2017 verfügt.
Auch in anderen Industrieländern läuft die Konjunktur schlecht, etwa in Deutschland, das zuletzt rund zehn Milliarden Euro zur „Klimafinanzierung“ der Entwicklungsländer leistete. Schon vor Trumps Wahl war es die Position der Bundesregierung, dass eine Aufstockung der Klimagelder nur in Betracht komme, wenn sich die Zahl der Geberländer vergrößert.
Die Forderung ist berechtigt. Denn die Definition von „Geberland“ im Rahmen des UN-Klimaprogramms hat sich überlebt. Maßgeblich ist noch immer die „Annex 1“ genannte Länderliste in der Klimarahmenkonvention von 1992. Sie enthält die 43 Industriestaaten der OECD und die Europäische Union. Sie sollen zahlen. Alle anderen Länder sind seither „Non-Annex-1-Länder“ und profitieren von ihrem Status als Nehmerland.
Nur: Zahlreiche Staaten, die 1992 noch als Entwicklungsland galten, schwelgen heute in Reichtum, darunter China, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Während Katar als angebliches „Entwicklungsland“ ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 87.840 US-Dollar hat, kommt das „Geberland“ Portugal lediglich auf 27.275 US-Dollar.
Ähnlich verhält es sich mit den Treibhausgasemissionen. China nähert sich den Treibhausgas-Emissionen der EU an. Die Emissionen von Saudi-Arabien betragen 22,3 Tonnen pro Kopf, die von Deutschland 8,9 Tonnen. Während Deutschland als Annex-1-Land seit 1992 internationale Klimahilfen zahlt, gilt Saudi-Arabien im UN-Kontext als Entwicklungs- und damit als Nehmerland.
Besonders eklatant ist Falsch-Etikettierung des inzwischen größten CO₂-Emittenten der Welt. China ist heute die zweitgrößte Volkswirtschaft, die Sonden auf den Mars schickt und die Welt mit Hightech-Produkten wie Elektroautos flutet. Doch auf Weltklimakonferenzen will es weiter als Entwicklungsland gelten. In Baku tritt China neben Ländern wie Sudan, Bangladesch und El Salvador als Mitglied der Gruppe der „Gleichgesinnten Entwicklungsländer“ (Like-Minded Developing Countries, LMDC) auf…. weiterlesen