Klimapolitik erneut vor Verfassungsgericht
Klimapolitik erneut vor Verfassungsgericht
handelsblatt.com: Greenpeace und Germanwatch haben zusammen mit 54.584 Mitklägern Verfassungsbeschwerde gegen die Klimapolitik der Regierung eingelegt. Die Zahl der Klimaklagen nimmt weltweit zu.
Die Klimapolitik der Bundesregierung kommt erneut vor Gericht. An diesem Montag haben die Umweltorganisationen Greenpeace und Germanwatch beim Bundesverfassungsgericht
in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen die ihrer Meinung nach unzureichende Klimapolitik der Regierung eingereicht.
Nach Angaben der beiden Verbände haben sich 54.584 Mitkläger der Verfassungsbeschwerde angeschlossen. Erstmals konnten sich alle in Deutschland lebenden Menschen ab 14 Jahren beteiligen.
Da die Verfassungsbeschwerde die Weichen für eine klimafreundliche Zukunft stellen soll, wurde sie von Greenpeace und Germanwatch „Zukunftsklage“ getauft. Die Kläger fordern ein „verfassungskonformes Klimaschutzgesetz“ und Maßnahmen zur Reduzierung der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen vor allem im Verkehr.
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Regierung verletzt Rechte
Roda Verheyen, Rechtsanwältin der Organisationen, wirft der Bundesregierung vor, „wirksame und sozial gerechte Klimaschutzmaßnahmen“ zu verschleppen und damit Freiheits- und Gleichheitsrechte zu verletzen. „Um unsere Grundrechte zu wahren, müssen Emissionsreduktionen rechtzeitig eingeleitet und umgesetzt werden – die Novelle des Klimaschutzgesetzes erreicht genau das Gegenteil.“
Das Klimaschutzgesetz (KSG) ist der Kern der nationalen Klimapolitik. Die Novelle war erst im Juli in Kraft getreten. Bundestag und Bundesrat hatten sie im Frühjahr verabschiedet. Das Gesetz schreibt eine schrittweise Minderung der Treibhausgasemissionen in Deutschland vor. Bis zur jüngsten Novellierung gab es für jeden emissionsrelevanten Sektor einen jährlichen Zielwert – bis auf den Sektor Energie.
Künftig können Zielverfehlungen des einen Sektors durch Übererfüllung in einem anderen Sektor ausgeglichen werden. Das war vor allem bei Umweltorganisationen auf Ablehnung gestoßen. Sie zweifeln zudem daran, dass die Emissionen in der notwendigen Geschwindigkeit sinken werden.
Das bezweifelt auch der von der Bundesregierung eingesetzte Expertenrat für Klimafragen. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein.
Im Fokus steht vor allem der Schadstoffausstoß im Verkehrssektor. Laut Umweltbundesamt war er 2023 „der einzige Sektor“, der sein Minderungsziel „deutlich“ verfehlt und sich weiter vom gesetzlichen Zielpfad entfernt hat. Auch in den Vorjahren hatte der Verkehrssektor, allerdings auch der Gebäudesektor, die Klimaziele verfehlt.
Würden Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrssektor weiterhin aufgeschoben, drohten bereits in den 2030er-Jahren harte Einschnitte bis hin zu Fahrverboten für Verbrenner, argumentieren die klagenden Organisationen. Besonders betroffen wären etwa Menschen mit geringem Einkommen, die in ländlichen Gebieten ohne öffentliche Verkehrsanbindung leben.
Drei Klagen von fünf Umweltverbänden
Die Kläger sehen einem Urteil optimistisch entgegen. Einige der Beschwerdeführer hatten schon 2021 einen Klimabeschluss in Karlsruhe erstritten, der für Wirbel gesorgt hatte. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber „intertemporale Freiheitssicherung“ aufgetragen. Das bedeutet, dass Klimaschutz mit einer Sorgfaltspflicht für künftige Generationen verbunden ist und nicht zulasten junger Menschen aufgeschoben werden darf.
Die neuerliche Verfassungsbeschwerde ist eine von insgesamt drei Beschwerden, die fünf deutsche Umweltverbände gegen die Klimapolitik der Bundesregierung und vor allem gegen die Abschwächung des Klimaschutzgesetzes eingereicht haben. Sie sind nun beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Neben Greenpeace und Germanwatch sind unter den Klägern die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sowie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Solarenergie-Förderverein (SFV)… weiterlesen