Mit deutlich weniger Material mehr herstellen
Mit deutlich weniger Material mehr herstellen
„Entscheidend ist, wie wir jetzt bauen, und nicht, wie wir in 30 Jahren heizen,“ plädiert Jörg Finkbeiner im Bauwesen für einen raschen Paradigmenwechsel. Der Architekt aus Baiersbronn im Schwarzwald, der als Pionier für kreislaufgerechtes Bauen in Deutschland gilt, beschäftigt mit seinem Partner Klaus Günter in Berlin 40 Mitarbeiter. Aktuell baut der gelernte Schreiner und zertifizierte Cradle-to-cradle-Berater zwei Holz-Hochhäuser in Wolfsburg.
Bei der 1. Holzbau-Konferenz „Building Wood“ Ende Januar im Hamburger Gaswerk-Hotel hielt Finkbeiner den Auftaktvortrag zur Ressourceneffizienz. „Nachfrage und Angebot gehen immer weiter auseinander, was nicht nur zu steigenden Preisen führt,“ so der Referent. Der Verband der Deutschen Automobilindustrie fordere mittlerweile eine Agentur für das Rohstoffmanagement, um dessen Verfügbarkeit zu sichern. Für den Schwarzwälder ist ganz klar: Es muss mit deutlich weniger Material mehr gebaut werden und das Material muss dauerhaft im Kreislauf bleiben.
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Materialverbrauch seit 1950 verzehnfacht
Wer nicht aus ökologischen Gründen umdenke, müsse dies aus kaufmännischen tun. Bis 2050, so Prognosen, fehlten weltweit acht Milliarden Tonnen Baumaterial, weil bei steigenden Bevölkerungszahlen die Ressourcen immer rascher limitiert seien.
So habe sich der Verbrauch seit 1950 verzehnfacht, die Herstellung von Baustoffen aber nur versiebenfacht. Bundesweit habe sich der Flächenverbrauch in diesem Zeitraum mehr als verdreifacht auf zuletzt 46 Quadratmeter Wohnfläche je Einwohner.
„Wenn wir nicht bald den Switch zur Kreislaufwirtschaft schaffen, führt dies in den Zusammenbruch der globalen Ökosysteme,“ prophezeit Finkbeiner. Weil aber auch Rezyklieren CO2 emittiert und Ressourcen verbraucht, „ist Verzichten am ökologischsten.“ 46 Prozent allen Kohlendioxids sei bislang noch in Wäldern gebunden, aber erst zwei Prozent in Holzprodukten wie Balken, Wänden oder Decken. Dagegen würden 52 Prozent des Holzes, darunter auch Abfälle aus der industriellen Verarbeitung, thermisch verwertet, was sofort dessen CO2 wieder freisetzt.
Auch deshalb sei es geboten, mit Holz zu bauen und dieses möglichst lange in stofflichen Kreisläufen zu halten, um klimaverändernde Emissionen einzulagern. Verbautes Holz solle nicht nach der ersten Demontage nach bspw. 50 Jahren verbrannt werden, sondern könne wieder und wieder verwendet werden.
„Ohne Idealismus geht nichts“
Quer durch die Republik von Berlin bis nach Brühl in Baden und Brixen in Südtirol stellte der Architekt Verwaltungsgebäude, Wohnbebauungen und Bildungszentren vor, die sein Büro überwiegend in Holz gestaltet hat. Darunter auch ein Gründerzentrum in Bremerhaven, das mit recycelten Fenstern, Fliesen und Beschlägen errichtet werden soll, die die Online-Plattform Concular für gebrauchte Baumaterialien vermittelt. Finkbeiner dazu: „Zirkuläres Bauen braucht mehr Zeit, erfordert viel Know-how und erschwert die Logistik.“ Doch diesen Herausforderungen müssten sich verantwortungsbewusste Architekten und Auftraggeber stellen.
In einer regen Diskussion mit dem inspirierten Auditorium klärte der Referent auf, dass sich seit 2018 die Stimmung drehe und vermehrt solche Innovationen nachgefragt würden. Bundesweit bringe er sein komplettes Team stets mit, z.B. den TGA-Fachplaner oder die Kontakte zu Concular und Madaster, „das macht den Erfolg realistischer.“ Problematisch seien öffentliche Aufträge und Vergaben, weil diese seine zirkulären Ansätze noch gar nicht vorsähen.
Und nach der Honorierung befragt meinte der Visionär: „Ohne Idealismus geht das noch nicht.“ Immerhin liefere sein Büro „bundesweit jede Menge Debattenbeiträge.“
Leonhard Fromm