RWE siegt gegen Kleinbauer – auf den ersten Blick

RWE siegt gegen Kleinbauer – auf den ersten Blick
Saul Luciano Lliuya/Wikimedia CC 4.0/Candy Sotomayor

RWE siegt gegen Kleinbauer – auf den ersten Blick

sueddeutsche.de: Ein peruanischer Kleinbauer wollte den großen RWE-Konzern für Klimasünden zur Rechenschaft ziehen. Jetzt wurde seine Klage abgewiesen. Trotzdem ist die Entscheidung wegweisend.

Das große Experiment des Saúl Luciano Lliuya endet am Mittwochmorgen um kurz nach zehn. In Saal A-006 des Oberlandesgerichts Hamm geht es ein letztes Mal um seinen Fall, Aktenzeichen I-5 U 15/17: ein peruanischer Kleinbauer gegen den mächtigen Essener Energiekonzern RWE. Der Kleinbauer ist Lliuya, und er unterliegt. Jedenfalls auf den ersten Blick.

Seit fast zehn Jahren zog sich die Klage schon, was an sich bemerkenswert ist. Denn der Kläger berief sich zwar auf einen Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuches, der gern im Nachbarschaftsrecht herangezogen wird. Er lebt aber nicht nebenan, sondern in den Anden. Luciano Lliuya stammt aus Huaraz, einer kleinen Stadt in Peru, gut 400 Kilometer nördlich von Lima. Sein Vorwurf: Der RWE-Konzern, Deutschlands größter CO₂-Emittent, heize das Klima mit an – und sei deshalb auch mitverantwortlich für Klimaschäden in Peru.

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Gericht nahm Vorwurf ernst und informierte sich vor Ort

Das Gericht hatte diesen Vorwurf so ernst genommen, dass es in die Beweisaufnahme eingestiegen war – allein das war eine Sensation. Vor drei Jahren reisten zwei Richter des fünften Zivilsenats in die Anden, begleitet von zwei Gutachtern. Sie wollten wissen, wie bedroht Luciano Lliuya wirklich ist.

Im Zentrum stand dabei ein Bergsee oberhalb von Huaraz, die Laguna Palcacocha. Sie ist umgeben von Gletschern, eine Art natürlicher Damm hält ihr Wasser zurück. Doch Eis und Geröll, so trugen Luciano Lliuyas Anwälte vor, könnten in die Lagune stürzen und eine Flutwelle mit verheerenden Folgen auslösen. Der Damm könnte brechen, Huaraz überfluten und damit auch das Haus ihres Mandanten. Die Erderwärmung mache solche Fels- und Gletscherstürze wahrscheinlicher – unter Mitwirkung des RWE-Konzerns.

Dass die Klage nun vom Oberlandesgericht abgewiesen wurde, ist für den Konzern ein Sieg mit Haken. Denn das Gericht hält den Anspruch aus Peru nicht per se für unbegründet. Der Vorsitzende Richter, Rolf Meyer, hält nur die konkrete Gefahr für das Haus von Luciano Lliuya für zu gering. Er stützt sich dabei auf ein Gutachten, nach dem das Risiko einer Überflutung binnen 30 Jahren nur bei einem Prozent liege. Die Flutwelle sei, bis sie am Haus des Klägers ankomme, auch nicht mehr hoch genug, um es ernsthaft zu schädigen. Allein die große Entfernung zwischen den Kraftwerken der Beklagten und dem Wohnort des Klägers in Peru sei hingegen kein ausreichender Grund, die Klage als unbegründet einzustufen, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.

Kläger sieht Urteil als Erfolg

Mit anderen Worten: Paragraf 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, auf den sich der Bergbauer berufen hat, gilt nicht nur jenseits des Gartenzauns, sondern auch am anderen Ende der Welt. In dem Paragrafen geht es um Beeinträchtigungen des Eigentums durch Dritte; ein Eigentümer kann vom „Störer“ verlangen, dass der die Beeinträchtigung abstellt.

Was also, wenn das Haus Luciano Lliuyas etwas näher an der Lagune gestanden hätte? Wenn sich die potenzielle Störung hätte nachweisen lassen? Er selbst sieht die Entscheidung deshalb als großen Erfolg. Zwar habe er sich gewünscht, dass auch RWE zur Rechenschaft gezogen werde. „Aber heute haben die Berge gewonnen.“ Schließlich könnten sich nun auch andere gegen Klimaschäden in ihrer Heimat wehren. „Die großen Unternehmen, die diese Risiken und Schäden verursachen“, sagt Luciano Lliuya, „können endlich gezwungen werden, Verantwortung zu übernehmen.“

Das sieht seine Anwältin, die Hamburger Umweltrechtlerin Roda Verheyen, ganz genauso. „Das Urteil von heute ist ein Meilenstein und wird Klimaklagen gegen fossile Unternehmen und damit der Abkehr von fossilen Brennstoffen weltweit Rückenwind geben“, sagt sie. Erstmals in der Geschichte habe ein hohes Gericht in Europa so geurteilt. Man danke der deutschen Gerichtsbarkeit für die Ernsthaftigkeit, mit der sie an die Klage herangegangen sei.

Einen Erfolg sieht auch der RWE-Konzern. Es sei den Klägern nicht gelungen, einen Präzedenzfall zu schaffen… weiterlesen

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