Trump will grünes Vermächtnis von Biden abwickeln

Trump will grünes Vermächtnis von Biden abwickeln
wiwo.de: US-Präsident Donald Trump will das grüne Vermächtnis von Joe Biden abwickeln. Um die Inflation zu dämpfen – aber auch, um seiner Lust an Zollkonflikten nachgeben zu können.
So richtig dunkel wird es im Westen von Texas nie. Selbst in mondlosen Nächten erhellen Feuer die Chihuahua-Wüste. Die niemals erlöschenden Flammen der Fördertürme entlang der Highways zeugen vom Reichtum, der hier im Boden schlummert. Im Erdinneren lagern die größten Ölreserven der Vereinigten Staaten. Seit mehr als 100 Jahren wird der Rohstoff hier nun schon aus der Tiefe geholt – und der Frackingboom der vergangenen Jahre hat der Ölindustrie in der Region zuletzt einen Schub gegeben.
Die Produktion ist in den vergangenen Jahren derart angestiegen, dass längst die Kapazitäten fehlen, um das bei der Förderung freigesetzte Erdgas gewinnbringend abzutransportieren. Deshalb fackeln es viele Unternehmer lieber direkt an der Quelle ab – und verwandeln die Wüste so Nacht für Nacht in ein Flammenmeer.
Es ist das Amerika, wie man es immer kannte: energiehungrig und ölsüchtig. Ein Amerika, das US-Präsident Donald Trump mit seinem Schlachtruf „Drill, baby, drill“ weiter antreiben will. Aber es gibt noch ein anderes. Man sieht es ebenfalls hier in Texas – immer dann, wenn die Sonne aufgeht: Hinter den Frackingtürmen und Pumpjack genannten Ölpumpen tauchen im Morgengrauen schimmernde Solarzellenfelder auf. Und auch Windräder reihen sich auf am Horizont.
Das republikanisch regierte Texas hat sich in den vergangenen Jahren auch zum größten Produzenten erneuerbarer Energien in den Vereinigten Staaten gemausert – ein grüner Boom neben dem schwarzen, angetrieben von dem tief verankerten Unternehmergeist im Südstaat und von langjähriger Erfahrung im Energiesektor.
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Einerseits. Denn andererseits haben ausgerechnet die großzügigen Förderprogramme der Joe-Biden-Regierung, allen voran der Inflation Reduction Act (IRA), die Erneuerbaren geboostert. Seit dem 20. Januar, dem Tag von Trumps Amtseinführung, stellt sich daher die Frage, was aus diesem ökonomischen Vermächtnis wird. Wie sich überhaupt die Frage stellt, was nun wird – angesichts der atemberaubenden Geschwindigkeit, mit der der neue Präsident und seine Getreuen Traditionen schleifen, Grenzen testen, neue Tatsachen schaffen.
Die Zollkonflikte mit Mexiko und Kanada sind fürs Erste vertagt: Trump drohte; die Nachbarn sichern Zugeständnisse zu. Aber China wehrt sich bereits gegen den neuen Aufschlag (zehn Prozent). Europa wappnet sich. Und die Märkte sind nervös. Zumal Elon Musk begonnen hat, den Beamtenapparat zu flöhen – während Trump sich außenpolitisch in der Pose des imperialen Immobilienmoguls gefällt, der auf Geschichte, Moral oder Völkerrecht keine Rücksicht nimmt.
Weg damit!
Seit Trump ins Weiße Haus zurückgekehrt ist, arbeitet seine Regierung daran, auch und gerade das wirtschaftspolitische Erbe seines Vorgängers abzuwickeln. Per Verordnung hat Trump bereits zahlreiche Initiativen zurückgenommen. Und das soll erst der Anfang sein. Im Wahlkampf hatte er angekündigt, auch den IRA – den wohl größten gesetzgeberischen Erfolg der Biden-Ära – ausradieren zu wollen.
Das Gesetz pumpt über die nächsten Jahre viele Hundert Milliarden Dollar in den Ausbau von Zukunftstechnologien, vor allem über Steuergutschriften. Das Ziel: Die größte Volkswirtschaft der Welt arbeitet ab 2050 klimaneutral.
Trump verfolgt andere Prioritäten. Und er gewinnt dafür Sympathien auch in Texas, obwohl sie dort mittlerweile auch mit grüner Energie gute Geschäfte machen. In der tief konservativen Ölregion um die Städte Midland und Odessa ist die Skepsis gegenüber grünen Energiequellen jedenfalls nach wie vor spürbar. „Die Unternehmen bauen diese Windparks doch nur, damit die Banken in New York ihnen weiter Kredite geben“, sagt Terry Johnson, Landrat von Midland County. Öl und Gas seien die einzigen verlässlichen Energieträger. „Alles andere ist ein Witz.“
Die Dekarbonisierung der USA spielt in den Plänen Trumps tatsächlich keine große Rolle. Denn neben dem symbolischen Sieg über Biden, der Einzige, der ihn je bei einer Wahl geschlagen hat, braucht Trump das Geld, das bisher in die Förderung erneuerbarer Energien fließen sollte, um seine Agenda zu finanzieren.
Das doppelte Ziel seiner fossilen Offensive: die in den Inflationsjahren massiv gestiegenen Preise im Zaum halten, während seine Regierung in der internationalen Handelspolitik aggressive Vorstöße unternimmt. Mehr Öl gleich billigeres Benzin gleich mehr Spielraum, um höhere Preise durch Zölle abzufedern – das ist Trumps Agenda. Er verknüpft die Rücknahme des IRA mit anderen Plänen und Prioritäten: Das alles hängt zusammen.
Doch in weiten Teilen der Wirtschaft hält sich die Begeisterung über die Rückabwicklungspläne in Grenzen, selbst in der „Drill-baby-drill“-Fraktion: „Wir haben die Steuergutschriften für den Ausbau viel versprechender kohlendioxidarmer Technologien immer unterstützt und hoffen, dass sie erhalten bleiben“, sagt Dustin Meyer, Politikchef beim American Petroleum Institute (API), dem mächtigsten Lobbyverband der Öl- und Gasindustrie.
Kein Wunder: Schließlich haben zahlreiche Ölmultis in den vergangenen Jahren enorme Summen in den Ausbau von Technologien wie Wasserstoff oder die Kohlenstoffabscheidung investiert – nicht etwa, um ihren Bankern zu gefallen, sondern um Gewinn zu machen. Doch ohne die IRA-Steuernachlässe geht diese Rechnung nicht mehr auf.
Auch für zahlreiche deutsche Unternehmen wäre ein Ende der Ära Biden problematisch. „Wir haben schnell prüfen lassen, ob die Förderung für den Ausbau unserer neuen Solaranlage noch sicher ist“, so der Manager eines Betriebs aus dem Bereich E-Mobilität im Süden der USA. Man brauche den Strom, um die Energiekosten niedrig zu halten. Und auch im Privaten stellt er sich auf Änderungen ein. „Ich habe mir gerade einen Tesla bestellt“, sagt er. „Wenn da die staatliche Unterstützung wegfällt, muss ich stornieren.“
Solche Geschichten bekommt man gerade häufig zu hören, wenn man sich in der deutschen Wirtschaftsszene in den USA umhört. Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren schließlich hervorragende Geschäfte in den USA gemacht – auch dank der IRA-Milliarden. Die Hoffnung, dass es trotz allem Getöse aus dem Weißen Haus doch so weitergehen könnte, ist entsprechend groß. Einen radikalen Kurswechsel will niemand voreilig einleiten. „Unsere Innovationsstrategie konzentriert sich auf biobasierte Lösungen, die Energiewende und Kreislaufwirtschaft“, sagt etwa Guido Skudlarek, Americachef von Evonik. „Und wir halten an dieser Strategie fest.”
Andere haben den Stimmungswechsel jedoch bereits zu spüren bekommen. „Wir sehen, dass sich die Investitionen im Bereich erneuerbare Energien und E-Autos verlangsamt haben“, sagt Mark Shiring, verantwortlich für das Amerikageschäft von ebm papst.
Das Unternehmen aus Baden-Württemberg kann auf erfolgreiche Jahre in den USA zurückblicken. Bereits vor rund einem Jahrzehnt begann der Mittelständler, seine Lieferketten weitgehend zu verlagern, produziert mittlerweile den Großteil seiner in den USA angebotenen Ventilatoren, Kühlanlagen und Elektromotoren in Nordamerika. Dadurch gelten ihre Produkte als „American Made“ – und qualifizieren sich damit für die Steuernachlässe des IRA.
Ein Ende des Biden-Gesetzes wäre für das Unternehmen dennoch keine Katastrophe, versichert Shiring. „Der Markt, auf dem wir agieren, wächst. Und er wird weiter wachsen“, sagt er – Steuergutschriften hin oder her. Andere Faktoren der Trump-Agenda seien viel gefährlicher für das Geschäft. Zölle auf Importe aus Mexiko, das „wäre ein ernstes Problem“, so der Manager.
Wie weit Trump in der Handelspolitik gehen wird, ist nicht nur für ebm papst die große Frage. „Wir erleben gerade eine Phase der Verunsicherung, dabei bräuchte es vor allem Stabilität“, sagt Steve Markham, Experte der Lieferkettenberatung Koerber Supply Chain Consulting. Doch eins sei klar: Zölle auf Waren aus Mexiko wären ein riesiger Fehler. „Die Trump-Administration wird nicht die letzten 50 Jahre der Deindustrialisierung rückgängig machen können“, sagt Markham. Die USA seien auf Importe angewiesen – insbesondere aus Mexiko. „Und wenn diese Waren teurer werden, dann dürfte auch die Unzufriedenheit in der Bevölkerung steigen.“
Doch genau davor will das Weiße Haus die Amerikaner mit seiner Energiepolitik ja eigentlich schützen. Zumal Trumps eigentliches Ziel noch viel weiter geht: die absolute Energiedominanz, wie er es nennt – hauptsächlich erzielt durch die Entfesselung der Fossilen.
Mehr geht fast nicht
Kann das gelingen? Steven Pruett ist da skeptisch. „Unser Output ist schon heute sehr hoch“, sagt der CEO von Elevation Resources, einem Öl- und Gasproduzenten im texanischen Midland. „Und ich denke nicht, dass wir ihn in den nächsten Jahren signifikant steigern werden.“
Denn „Drill, Baby, drill“ – das war in Wahrheit schon unter Biden die Position der Vereinigten Staaten. Im vergangenen Jahr holten Fracker und Bohrer zeitweise mehr als 13 Millionen Barrel Öl aus dem Boden – und förderten damit mehr als jedes andere Land der Welt jemals. Viel mehr, so Pruett, dürfte es auf absehbare Zeit nicht werden, die Kosten für einen weiteren Ausbau wären enorm. Die Investoren wollen derzeit vor allem Rendite sehen, nachdem sie über Jahre in teure Fracking-Infrastruktur investiert hatten. Und Rendite versprechen schließlich auch die grünen Projekte für Wind- und Solarparks – sofern der IRA erhalten bleibt… weiterlesen