Von der Leyen: Wahl nur ohne Lieferkettengesetz

Von der Leyen: Wahl nur ohne Lieferkettengesetz
tagesspiegel.de: Kurz vor ihrer erneuten Wahl zur Kommissionspräsidentin erhält die Christdemokratin überraschend Widerstand aus den eigenen Reihen. Ein CDU-Mitglied wittert einen „handfesten Skandal“.
Im Europäischen Rat wurde Ursula von der Leyen Ende Juni von den Staats- und Regierungschefs für eine weitere Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission nominiert. In der kommenden Woche soll die CDU-Politikerin auch von den Parlamentariern in ihrem Amt bestätigt werden. Eine Abstimmung ist laut Pressedienst des Parlaments für den 18. Juli angesetzt. Gegenwind erhält von der Leyen auf den letzten Metern ausgerechnet aus den eigenen Reihen.
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Der ehemalige Erste Bürgermeister Hamburgs, Christoph Ahlhaus (CDU), heute Chef des über 27.000 Mitglieder starken Mittelstandsverbands BVMW, appelliert an seine Parteifreunde, Ursula von der Leyens Wiederwahl an die Rücknahme des EU-Lieferkettengesetzes zu knüpfen.
In einem Interview der „Frankfurt Allgemeinen Zeitung“ warf Ahlhaus seiner Parteifreundin vor, sich die Zustimmung Italiens zu dem umstrittenen europäischen Gesetz gegen das deutsche Votum mit milliardenschweren Subventionen für die Flüchtlingshilfe erkauft zu haben. „Das ist ein handfester Skandal, dem die Union tatenlos zugeschaut hat“, sagte Ahlhaus.
Aus Sicht von Ahlhaus sollten Parlamentarier von CDU und CSU über die EVP-Fraktion im Europarlament nun darauf hinwirken, dass von der Leyen das EU-Lieferkettengesetz wieder abschaffe. „Noch lässt sich das erreichen, weil von der Leyen die Unterstützung des Parlaments für ihre Wiederwahl zur Kommissionspräsidentin benötigt“, sagte Ahlhaus. Diese Chance müsse das Parlament jetzt nutzen. „Die Gelegenheit bietet sich nur einmal“, fügte er an.
Lieferkettenrichtlinie im Mai final angenommen
Bei den Parlamentariern ihrer europäischen Parteifamilie EVP sowie den Sozialdemokraten (S&D) und Liberalen (Renew) besitzt von der Leyen theoretisch eine komfortable Mehrheit von rund 400 der 720 Stimmen. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass manche Abgeordnete von der Fraktionslinie abweichen und der CDU-Politikerin ihre Stimme verwehren.
Zudem ist das Lieferkettengesetz vor allem Politkern von FDP und CDU/CSU ein Dorn im Auge, da die damit verbundenen Bürokratie Firmen überfordere.
Die europäische Lieferkettenrichtlinie hatte Ende Mai mit der Zustimmung der Mitgliedstaaten in Brüssel die finale Hürde genommen. Damit wurden der Schutz von Menschenrechten und Umwelt für große Unternehmen zur Verpflichtung entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Firmen müssen zudem einen Plan erstellen, der zeigt, dass ihr Geschäftsmodell mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar ist. Andernfalls drohen Sanktionen.
Die verpflichtenden, europäischen Regeln müssen Firmen mit 1000 Beschäftigten und 450 Millionen Euro Umsatz einhalten. Allerdings erst nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren – in dieser Zeit gelten zunächst noch höhere Grenzwerte.
Ampel will deutsches Gesetz aussetzen
In Deutschland gilt bereits seit Jahresbeginn für Firmen dieser Größe das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Nach Kritik von Wirtschaftsverbänden und Opposition sowie angesichts der schwindenden Wettbewerbsfähigkeit hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zuletzt in Aussicht gestellt, die deutsche Version des Lieferkettengesetzes auszusetzen, bis das europäische Lieferkettengesetz in Kraft tritt… weiterlesen