Wald im Namen des Klimaschutzes verheizt

Wald im Namen des Klimaschutzes verheizt
Screenshot: zeit.de

Wald im Namen des Klimaschutzes verheizt

zeit.de: Energie aus Holz statt Kohle gilt als klimafreundlich. Bäume wachsen ja nach. Doch die Rechnung geht nicht auf, wie die Waldzerstörung in einem Naturpark Estlands zeigt.

Der Haanja-Naturpark liegt im Südosten Estlands. In Reiseführern wird er als Ort der unberührten Natur und als Geheimtipp für entspannte Wanderungen durch hügelige Landschaften beschrieben. Doch seit 2015 werden die Wälder dort verstärkt abgeholzt. Denn Holz ist gefragt. Die Möbelindustrie nutzt es, um Tische zu bauen, das Baugewerbe, um Häuser zu fertigen und die Industrie braucht es, um daraus klimafreundliche Energie zu gewinnen. Die wachsende Nachfrage an Holzpellets hat schwerwiegende Folgen für Wälder – in Europa, in Estland und im Haanja-Naturpark. 

Kalev Järvik wohnt seit zehn Jahren am Rande des Parks in der Region Voru. Er erinnert sich daran, dass er vor einigen Jahren noch unter einem Dach aus Birkenzweigen und Fichtennadeln von einem Ende des Naturparks bis zum anderen laufen konnte. Jetzt steht er auf kahlem, aufgewühltem Erdboden zwischen Baumstümpfen, mitten in ebenjenem Naturpark, in dem nun Bäume gefällt werden, anschließend zerschreddert, um sie dann zu Pellets zu pressen und an Kraftwerke im europäischen Ausland zu verkaufen. „Was hier passiert, passiert überall. Aber jetzt hat es auch den Naturpark erreicht“, sagt Järvik. Was ist passiert?

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Estland bezeichnet sich selbst als „Land organischer Wälder“, etwa die Hälfte des Landes, knapp zwei Millionen Hektar, ist von Wald bedeckt. Ein Fünftel davon gehören zum Natura-2000-Netzwerk, einem EU-Projekt, das länderübergreifend Gebiete schützt, etwa Brutstätten für seltene und gefährdete Tierarten. Anfang 2015 entschied die estnische Regierung, Abholzungen per Kahlschlag im Haanja-Naturpark zu erlauben. Gerade zu einer Zeit, als die Nachfrage nach Holz im Westen Europas rasant anstieg. Seitdem hat der Holzeinschlag stark zugenommen. Zwischen 2001 und 2019 hat die Waldbedeckung in den gesamten Natura-2000-Gebieten in Estland um 15.000 Hektar abgenommen, was einer Fläche doppelt so groß wie Manhattan entspricht. Und auf die vergangenen fünf Jahre fallen etwa 80 Prozent des Verlusts seit 2001.

Die Abholzungen auf dem Stück Land, auf dem Järvik an diesem grauen Novembertag im Naturpark steht, wurden von einem Tochterunternehmen von Graanul Invest, dem größten europäischen Pellethersteller, durchgeführt. Die gefällten Bäume landen in einem der umliegenden Werke und werden dort zunächst zu Sägespänen gemahlen und dann zu Pellets gepresst. Das Unternehmen beliefert vor allem Kraftwerke im europäischen Ausland, die Pellets als Alternative zu Kohle für die Stromerzeugung verbrennen und damit ihre CO₂-Bilanz aufbessern… weiterlesen

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