Wie der Onlinehandel CO2 einsparen kann
Wie der Onlinehandel CO2 einsparen kann
faz.net: Wer Waren im Netz bestellt, verursacht im schlechtesten Fall jede Menge Emissionen. Eine neue Studie zeigt: Das geht auch besser.
1421 Gramm CO2-Äquivalente. So viel Treibhausgasemissionen verursacht eine durchschnittliche Onlinebestellung bis zur Haustür, zeigen neue Berechnungen des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung im Auftrag des Onlinehandelsverbandes Bevh. Das entspricht etwa dem neunfachen Ausstoß eines mit einem Verbrennerauto zurückgelegten Personenkilometers.
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Die Forscher haben für die Studie erstmals die klimatischen Auswirkungen des gesamten Onlineeinkaufs aufgeschlüsselt: von der Bestellung, digitalen Weiterbearbeitung, Verpackung, Logistik bis zur Zustellung und möglichen Retoure. Eine zentrale Erkenntnis: Wie viele Treibhausgasäquivalente anfallen, hängt stark vom Einzelfall ab.
Im für das Klima besten Fall bestellen die Kunden nach kurzer Produktsuche per Smartphone im WLAN, woraufhin die Bestellung aus einem energetisch optimierten Logistikzentrum in einer recycelten Mehrwegverpackung verschickt wird. Die letzte Meile des Versands übernimmt im Idealfall ein Elektrofahrzeug zu einer Packstation, eine Retoure bleibt aus. Auf diese Weise würde eine Bestellung nur 469 Gramm CO2-Äquivalente verursachen.
2,1 Milliarden Pakete im Jahr 2020
Im schlechtesten Fall hingegen würden Kunden lange am Desktop nach dem richtigen Produkt suchen, woraufhin die Bestellung aus einem nicht energetisch optimierten Logistikzentrum in einer materialintensiven Verpackung verschickt und im dritten Versuch per Dieselfahrzeug an die Haustür gebracht würde. Wenn dann noch eine Retoure dazukommt, würde eine solche Bestellung laut Fraunhofer-Berechnungen 4.426 Gramm CO2-Äquivalente verursachen. „Die große Spanne zeigt, dass wir als Branche eine Menge Ansatzpunkte haben, um nachhaltiger zu werden“, sagt Bevh-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer im Gespräch mit der F.A.Z.
Als wichtigsten Hebel sieht Studienautor und Fraunhofer-Forscher Matthias Gotsch, dass die Pakete die letzte Meile mit einem E-Fahrzeug zurücklegen. 2020 wurden in Deutschland laut Studie 2,1 Milliarden Pakete verschickt, was immerhin 3,7 Prozent des gesamten Straßengüterverkehrs ausmachte. 418.000 Tonnen CO2 könnten in Deutschland bei einer kompletten Elektrifizierung im Vergleich zum Jahr 2021 laut Fraunhofer eingespart werden. Das entspräche grob 64.000 Autofahrten rund um die Erde.
Und es gibt noch einen weiteren Hebel beim Transport der Pakete. Die gebündelte Zustellung von Bestellungen an Paketshops und Packstationen verursacht laut Studie nur 51 Prozent der Emissionen einer Lieferung vor die Haustür. „Gerade in Städten sind fußläufige Packstationen ein guter Ansatzpunkt“, sagt Matthias Gotsch.
Mehrwegversandtaschen bieten Einsparpotential
Auf dem Land sei das schwieriger. Dort sei die Konsolidierung von Lieferungen ein guter Weg. Dafür müssten sich Logistiker auf dem Land zusammenschließen, damit weniger halb volle Lastwagen über die Straßen fahren. Das ist allerdings nicht nur kartellrechtlich schwierig, sondern auch technisch, weiß Wenk-Fischer vom Bevh. „Die Anbieter nutzen beispielsweise ganz andere Barcodes für die Pakete.“
Ein weiterer Ansatzpunkt sind die Verpackungen. 2021 verschickten Onlinehändler laut Studie schätzungsweise 885.000 Tonnen Pappe. Durch den Einsatz von versandfähigen Produktverpackungen und damit das Einsparen von zusätzlichen Versandkartons könnten bis zu 24 Prozent der Emissionen eingespart werden, rechnen die Fraunhofer-Forscher vor. „Dafür muss die Produktverpackung aber auch für den Versand geeignet sein“, sagt Gotsch.
Das Einsparpotential von Mehrwegversandtaschen beziffert die Studie bei vielen Umläufen theoretisch auf 60 bis 98 Prozent der Emissionen. Allerdings haben Feldversuche verschiedener Onlinehändler gezeigt, dass das logistisch gar nicht so einfach ist, schließlich müssen die Mehrwegtaschen wieder zurück zum Händler. Die Tüte per Post zurückschicken zu lassen ist kostenintensiv. Effizienter wäre es, wenn die Mehrwegtüten in Geschäften, an Kiosken oder Packstationen eingesammelt und gebündelt zurück zu den Händlern transportiert würden. Dafür bräuchte es aber wohl eine Brancheninitiative… weiterlesen