Wie die Industrie klimaneutral werden will

Wie die Industrie klimaneutral werden will
dlf.de: Bis 2045 soll die Industrie in Deutschland kein klimaschädliches CO2mehr ausstoßen. Der Wandel zur Klimaneutralität birgt Risiken, ist aber machbar, meinen Experten – und einige Unternehmen gehen bereits voran. Etwa im Industrieland NRW.
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Stephan Behle steht vor einer riesigen Aufgabe – wörtlich genommen und im übertragenen Sinn. Der Forschungsdirektor von Saint-Gobain Deutschland läuft durch eine Werkhalle in Herzogenrath, vor ihm breitet sich eine Anlage aus, die auf den ersten Blick wie ein riesiger grauer Bunker wirkt: ein Industrieofen für das Schmelzen von Glas.
„Hier kommt das Gemenge rein“, erklärt er. Also Materialien wie Sand, Soda und Dolomit, die in dem Industrieofen geschmolzen werden. In der sogenannten Glaswanne.
„Da ist auch das berühmte Schild mit dem Namen der Wanne: Hier Marie Luise. Und die wurde erbaut 2004 und sie wurde gezündet 2005. Und seitdem läuft die jeden Tag 24 Stunden.“
Die Forschung läuft auf Hochtouren
Stephan Behles riesige Aufgabe ist, diese Wanne klimaneutral zu machen. Genauso wie den gesamten Standort von Saint-Gobain in Herzogenrath. Ziel ist das Jahr 2030. Doch gerade für die besonders energieintensive Glaswanne liegt die Deadline früher: „Die soll laufen bis 2027, bis 2028“, sagt Behle. „Dann wollen wir sie reparieren. Und das ist der Zeitpunkt, wo wir all das einbauen wollen, um diese Wanne CO2-neutral zu bekommen.“
Dann sollen durch die Glasschmelze keine Treibhausgase mehr anfallen. Die Forschung dafür läuft auf Hochtouren, auch zur Frage, wie man den gesamten Standort klimaneutral umbauen kann. Behle betont: „Da sind 100 bis 150 Kolleginnen und Kollegen, die nur diese Fragestellung beleuchten. Wir sind da also ziemlich unterwegs und das ist ein Marathon.“
Eine Industrie zu schaffen, die kein CO2mehr ausstößt, die nicht mehr dem Klima schadet: Das ist das Ziel von EU und Bundesregierung. Die EU will es bis 2050 erreichen, die Bundesrepublik bis 2045, und einige Unternehmen wie Saint-Gobain haben sich noch ambitioniertere Ziele gesetzt, zumindest für manche Standorte. Nur: Wie lässt sich die Klimaneutralität in der Industrie erreichen? Derzeit stecken fossile Rohstoffe in unzähligen Produkten. Sie ermöglichen den Transport per Schiff und Flugzeug und sie werden für Schmelz- und Brennvorgänge benötigt. All das zu verändern, scheint derzeit fast unerreichbar.
Die Risiken des Wandels
Stefan Lechtenböhmer vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie hält es aber für machbar: „Ich bin mir schon ziemlich sicher, dass wir 2045 eine klimaneutrale Industrie haben werden“, sagt er, nennt aber im nächsten Satz ein großes Aber. Die kritische Frage ist für ihn: „Insbesondere wie viel Industrie wir noch haben werden.“ weiterlesen