Benimm-Regeln für den Ausflug in die Natur

Benimm-Regeln für den Ausflug in die Natur
rnd.de: Die Deutschen haben in der Corona-Zeit die Natur neu für sich entdeckt. Parks sind auch in diesem Sommer voll, vor den Waldparkplätzen bilden sich Schlangen, am See ist kein Durchkommen. Overtourism vor der Haustür ist ein Albtraum für Naturschützer. Brauchen wir neue Regeln für den Besuch im Grünen?
Handeloh war einmal ein verträumtes Örtchen in der Lüneburger Heide. Hier führt der Heidschnuckenweg entlang – der schönste Wanderweg Deutschlands, wie eine Jury schon im Jahr 2014 befand. Gewandert sind hier bis vor Kurzem vor allem ältere Semester, außerhalb der Heideblüte war nicht besonders viel los.
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Dann kamen Corona – und tolle Bilder auf Instagram. Wanderselfies aus dem Büsenbachtal fluteten das Netz. Handeloh wurde über Nacht zu einem Hotspot für Ausflügler. In der Pandemie suchten viele Menschen ihr Heil im Grünen, doch in Handeloh war nicht nur die Zahl der Besucher das Problem. Es seien immer mehr Menschen gekommen, die sich sonst nicht in die Natur begeben und gar nicht wissen, wie man schonend mit Flora, Fauna und Landschaft umgeht, heißt es in der Geschäftsstelle des Naturparks Lüneburger Heide.
Anfang dieses Jahres reagierten die Verantwortlichen: Eine Rangerin wacht jetzt über das Büsenbachtal, eine elektronische Besucherzählanlage soll Auskunft darüber geben, wie viele Wanderer gerade die Heide durchstreifen.
Wächter, die wilde Partys im Wald beenden, und Ampeln vor dem Eintritt in Naturschutzgebiete – muss das wirklich sein?
Umweltverbände haben sich zu Beginn der Corona-Pandemie über das neue Interesse an Fauna und Flora gefreut. Tatsächlich sind auch heute noch Seminare über Insekten oder vogelkundliche Wanderungen so gut besucht wie seit Jahrzehnten nicht. Zugleich aber zertrampeln Heerscharen von Wanderern große Frühblühervorkommen im Wald und lassen ihre Hunde ohne Leine in der Schonzeit laufen. Mountainbiker liefern sich Scharmützel mit Wanderern. Beide Seiten führen, wenn es denn überhaupt zu einer sachlichen Debatte kommt, das gleiche Argument an: das Recht auf Erholung in der Natur.

Die Natur ist in Deutschland Allgemeingut. Jeder hat das Recht auf Erholung in einem Raum, in dem sich im wahrsten Sinne des Wortes abschalten lässt – sofern er sich an Regeln hält, die zum Beispiel in Naturschutzgebieten gelten. Das Verlassen der Wege ist dort häufig verboten, doch immer mehr Menschen halten sich nicht daran.
Warum das so ist, sollte eine Studie herausfinden, die kürzlich bei einer Anhörung des Tourismusausschusses des Bundestages vorgestellt wurde. Das Ergebnis: Das Verhalten in der Natur hängt nicht unbedingt vom Wissen der Besucher über Pflanzen und Tierwelt ab. „Insbesondere bei den gut gebildeten Besuchern gibt es eine große Lücke zwischen Wissen und Handeln“, sagt Jan Wildefeld, Geschäftsführer des Verbandes Nationale Naturlandschaften. Den Menschen seien zwar die Naturschutzregeln bewusst, aber sie trügen „nicht unbedingt aktiv zu deren Einhaltung bei“.
Die Folgen sind nicht nur eine zunehmende Vermüllung von Parks und Wäldern, sondern auch Störungen in sehr sensiblen Ökosystemen, die wegen Hitze und Trockenheit ohnehin schon unter Stress stehen. Förster beobachten, dass Menschenmassen, Lärm und frei laufende Hunde zunehmend zu Stress beim Rotwild führen. Die Folge davon: Das Wild erhöht den Stoffwechsel, braucht mehr Futter – und frisst junge Bäume, die gerade mit viel Aufwand (und hohen Kosten) für die Wiederaufforstung gepflanzt worden sind.
In den 16 Nationalparks, 104 Naturparks und 18 Biosphärenreservaten in Deutschland – alles Orte, in denen sich die Natur eigentlich besonders gut ungestört entwickeln soll – rüsten die Behörden jetzt nach. Ranger sind bald die Regel, immer neue Infotafeln versperren bisweilen schon den Blick ins Grün.
Es müsse auch von den offiziellen Stellen an der Kommunikation gearbeitet werden, sagt Ulrich Köster, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Naturparks. Ihm schwebt eine bundesweite Kampagne vor, die die Menschen einerseits in die Parks einlade, gleichzeitig sensibilisiere und auf weniger besuchte Gegenden aufmerksam mache.
Das heißt aber auch: Was nützen alle Ranger und Verhaltensregeln, wenn die Masse der Erholungsuchenden einfach zu groß ist? weiterlesen