Bessere Luft: Lockdown verhinderte über 800 Todesfälle

Bessere Luft: Lockdown verhinderte über 800 Todesfälle
Foto: Pixabay CC/PublicDomain

Bessere Luft: Lockdown verhinderte über 800 Todesfälle

Wissenschaftler des Copernicus-Atmosphärenüberwachungsdienst (Copernicus Atmosphere Monitoring Service, CAMS) berechneten jetzt in einer Studie, die Auswirkungen des ersten Corona-Lockdowns: „Staatliche Maßnahmen vor allem im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr hatten den größten Einfluss auf niedrigere NO2-Konzentrationen in der Luft, und somit auf die Zahl von Todesfällen“, schreiben sie dazu gemeinsam mit Kolleginnen und Kolegen der London School of Hygiene and Tropical Medicine.

Der Copernicus-Atmosphärenüberwachungsdienst implementiert vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage im Auftrag der Europäischen Kommission mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union seine Studie über Luftverschmutzung in Europa während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie im Frühjahr und Frühsommer 2020 unter der Leitung der London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM) und mit Beiträgen von CAMS und anderen führenden Institutionen gemacht. Sie ist eine der ersten Studien, die die Auswirkungen verschiedener politischer Maßnahmen, die während der ersten Welle der Pandemie in Europa ergriffen wurden, quantitativ vergleicht.

In der Studie wurde der Zusammenhang zwischen verschiedenen staatlichen Maßnahmen und dem Rückgang der wichtigsten gesetzlich vorgeschriebenen Schadstoffe, darunter NO2, Ozon sowie Feinstaub PM2.5und PM10, in 47 europäischen Großstädten und der damit verbundenen kurzfristigen Sterblichkeitsrate während des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie in Europa untersucht (Februar bis Juli 2020).

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Die Ergebnisse bestätigen frühere Schätzungen, wonach die verringerte Luftverschmutzung zu hunderten von vermiedenen Todesfällen in den untersuchten Städten führte. Die Studie quantifizierte dabei die Veränderungen bei vorzeitigen Todesfällen aufgrund kurzfristiger Unterschiede der Luftqualität in den untersuchten Städten. Anhand der beobachteten Veränderungen in den täglichen Konzentrationen der Schadstoffe in Verbindung mit der Bewertung der Exposition der Menschen schätzen die Wissenschaftlerinnen und wissenschaftler, dass insgesamt über 800 Todesfälle durch die verbesserte Luftqualität infolge der von den Regierungen ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des SARS-Cov-2-Virus vermieden wurden. Paris, London, Barcelona und Mailand gehörten zu den sechs Städten mit der höchsten Zahl an vermiedenen Todesfällen.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:
  • Die verschiedenen politischen Maßnahmen hatten sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Luftqualität
  • Maßnahmen, die das tägliche Leben einschränken, wie etwa die Schließung von Schulen und Arbeitsplätzen, hatten die stärksten Auswirkungen auf die Luftverschmutzung. Beschränkungen des innerstaatlichen und internationalen Reiseverkehrs hatten dagegen eine weitaus geringere Auswirkung auf die lokalen Schadstoffwerte
  • Wissenschaftler:innen schätzen, dass insgesamt über 800 Todesfälle aufgrund der verbesserten Luftqualität durch die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des SARS-Cov-2-Virus, vermieden werden konnten.
Daten aus dem ersten COVID-Lockdown können helfen, wirksamere Strategien gegen Luftverschmutzung zu entwickeln

Die wichtigste Erkenntnis der Untersuchung war, dass die Ergebnisse der verschiedenen Maßnahmen sehr unterschiedlich ausgefallen sind. So hatten beispielsweise die Schließung von Schulen und Arbeitsplätzen, die Absage öffentlicher Veranstaltungen und die Aufforderung, zu Hause zu bleiben, die stärksten Auswirkungen auf die Verringerung der NO2-Werte.

Beschränkungen des Inlands- und Auslandsreiseverkehrs hatten dagegen kaum Auswirkungen auf die lokale Luftverschmutzung.

In spanischen, französischen und italienischen Städten war der Rückgang von NO2 mit 50 bis 60 Prozent in diesem Zeitraum am stärksten. NO2 sank in dieser Zeit jedoch in ganz Europa erheblich. Bei anderen Schadstoffen waren die Rückgänge weniger deutlich. Dies war zu erwarten, da etwa die Hälfte der NO2-Emissionen durch den Straßenverkehr verursacht wird, welcher von den staatlichen Beschränkungen am stärksten betroffen war. Emissionen durch Straßenverkehr tragen bei anderen Schadstoffen jedoch in einem viel geringeren Maß zu den Gesamtemissionen bei.

Die Untersuchung nutzte von CAMS bereitgestellte Oberflächendaten verschiedener regionaler Luftqualitätsmodelle, um die Konzentrationen der wichtigsten Luftschadstoffe zu vergleichen. So wurden zwei spezifische Schadstoffemissionsszenarien generiert: eine detaillierte Schätzung der tatsächlichen Emissionen, die sich aus den Regierungsmaßnahmen während des ersten Lockdowns ergaben, und ein modelliertes Szenario, das die Emissionen unter „normalen“ Alltagsbedingungen errechnete, so als ob es keine Lockdown-Maßnahmen gegeben hätte. Dies wurde für jedes Land, jeden Tag und für die wichtigsten Sektoren (Straßenverkehr, Industrie, etc.) durchgeführt.

Die federführenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Studie nutzten den modernen CAMS-Datensatz der Luftqualität und einen fortschrittlichen methodischen Ansatz, um individuelle politische Maßnahmen in den einzelnen Städten und ihre Auswirkungen auf die Verringerung der Schadstoffwerte zu bewerten. Während die Auswirkungen erwartungsgemäß variierten, beobachteten sie einen starken Rückgang von NO2 und in geringerem Maße auch von Feinstaub PM2.5und PM10 in Gebieten, die strengere Abriegelungen durchsetzten.

Verringerung der Luftverschmutzung erhöht eindeutig die Gesundheit der Menschen in Städten

Vincent-Henri Peuch, Direktor des Copernicus Atmosphere Monitoring Service, sagt hierzu: „Diese Forschungsarbeit profitiert von einem einzigartigen Datensatz, der von CAMS bereitgestellt wird und der es ermöglicht, die europäische Luftqualität, während der COVID-19-Maßnahmen so realistisch und genau wie möglich mit dem zu vergleichen, was unter ‚normalen‘ Bedingungen geschehen wäre. Dadurch werden viele Einschränkungen anderer Studien überwunden, die beispielsweise verschiedene Jahre oder Zeiträume verglichen haben. Das CAMS-Multimodell-Ensemble, das zur Erstellung dieses Datensatzes verwendet wurde, verfügt über Fähigkeiten, die weltweit ihresgleichen suchen.“

„Die Ergebnisse sind äußerst bedeutsam, da sie den quantitativen Nachweis erbringen, dass die COVID-bezogenen Regierungsmaßnahmen eine direkte Auswirkung auf die Luftverschmutzungswerte in ganz Europa hatten, insbesondere bezogen auf NO2. Über die Analyse der Sterblichkeit in den ersten Monaten der Pandemie hinaus könnte diese Studie dazu beitragen, künftig die Politik zu gestalten, da der Nutzen für die öffentliche Gesundheit durch die Verringerung der Luftverschmutzung in unseren Städten und die Wirksamkeit bestimmter Maßnahmen klar ersichtlich werden“, fügt er hinzu.

Antonio Gasparrini, Professor für Biostatistik und Epidemiologie an der London School of Hygiene and Tropical Medicine und Hauptautor der Studie, sagt: „Die Abriegelung während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie verursachte immense gesundheitliche und soziale Kosten, bot jedoch einzigartige Bedingungen, um die möglichen Auswirkungen strenger Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung in städtischen Gebieten zu untersuchen. Dieses ‚natürlich Experiment‘ hat uns einen Einblick gegeben, wie die Luftqualität durch Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die in normalen Zeiten nur schwer umzusetzen wären, verbessert werden kann. Diese Informationen können wichtig sein, um wirksame politische Maßnahmen zur Bekämpfung des Problems der Luftverschmutzung in unseren Städten zu entwerfen.“

red

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