Energiewende: DDR-Akw zu Speicher-Revolution
Energiewende: DDR-Akw zu Speicher-Revolution
focus.de: Das Industriegebiet Arneburg in Sachsen-Anhalt hätte eigentlich mal ein Atomkraftwerk werden sollen, nach der Wende wurde aus der Bauruine ein florierendes Industriegebiet. Jetzt soll in Arneburg ein großer Batteriespeicher für die Energiewende entstehen – ein Zeichen dafür, wie schnell die Speicher-Revolution vorangeht.
Am linken Elbufer, 15 Kilometer nordwestlich von Stendal, schmiedete die DDR-Führung große Pläne. Im Jahr 1970 hatte das Präsidium des Ministerrats den Bau des insgesamt dritten Atomkraftwerks der DDR beschlossen, das Kernkraftwerk Stendal hätte das leistungsstärkste Akw des Landes werden sollen. Für den Bau wurde extra ein ganzes Dorf abgerissen, für den Zugang zur Elbe wurde ein eigener Hafen gebaut.
Fertiggestellt wurde das ambitionierte Projekt allerdings nie. Personalmangel sowie Probleme mit Logistik und Technik sorgten immer wieder für Verzögerungen, die deutsche Wiedervereinigung brachte dann den Todesstoß. Weder die westdeutschen Energieunternehmen noch die Politik hatten ein Interesse daran, die Fertigstellung des teuren, mit Sowjet-Technik errichteten Kraftwerks zu finanzieren. Das Akw Stendal verfiel zur Bauruine.
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Auf dem Gelände des Kernkraftwerks entstand in den folgenden Jahren dennoch eine Erfolgsgeschichte. Der Standort wurde zum Industriegebiet weiterentwickelt, an dem sich energieintensive Industrien wie Papierfabriken neben Unternehmen aus der Energiewirtschaft ansiedelten. Und jetzt soll der sogenannte Industriepark Arneburg einen der wichtigsten Bestandteile der Energiewende erhalten: Einen sogenannten Großspeicher.
Alte Akws als perfekter Standort
Das Projektunternehmen Elbkraftwerke plant eine Anlage mit einer Speicherkapazität von 64 Megawattstunden (MWh) und einer Anschlussleistung von 30 Megawatt (MW), wie die Firma nun mitteilte. Über die bereits bestehende Infrastruktur des Parks soll der Speicher an das öffentliche Netz angeschlossen werden. Alte Kohle- und Kernkraftwerke sind beliebte Standorte für Großspeicher, weil sie bereits über die nötige Netzinfrastruktur verfügen. Das stillgelegte Kernkraftwerk Brokdorf an der Elbe in Schleswig-Holstein soll nach Willen des Betreibers Preussen Elektra sogar einen XXL-Speicher bekommen, mit einer Kapazität von 1600 Megawattstunden.
In Arnsburg sollen sich außerdem „spannende Kooperationsmöglichkeiten“ durch die geplante Ansiedlung weiterer Energieunternehmen ermöglichen, teilte Elbkraftwerke mit. Der Speicher soll noch im Jahr 2025 gebaut werden.
Deutschlands Speicher-Turbo
Der Ausbau großer Speicher in Deutschland nimmt derzeit rapide Fahrt auf: Nach Angaben des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar) könnte es in den kommenden beiden Jahren zu einer Verfünffachung der installierten Kapazität großer Batteriespeicher in Deutschland kommen. Das gehe aus einer Marktanalyse des Beratungsunternehmens Enervis im Auftrag des Verbandes hervor, teilte der BSW-Solar Anfang des Monats mit.
Demnach kämen in den kommenden beiden Jahren zu den bereits installierten 1,8 Gigawattstunden (Gwh) Großspeicher-Kapazität noch sieben Gigawattstunden an neuer Speicherkapazität hinzu. Der Grund für den raschen Ausbau sind rasant sinkende Preise, die für die Speicherbesitzer ein neues Geschäftsmodell ermöglichen.
Für Projektentwickler und Energieversorger waren Speicher bislang nur bedingt interessant. Zumeist wurden die Akkus genutzt, um sogenannte „Regelleistung“ bereitzustellen, also Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Von den Netzbetreibern gibt es dafür eine großzügige Vergütung, aber der Markt ist kompliziert und schwankt stark.
Durch die fallenden Preise ergibt sich jetzt ein neues Geschäftsmodell: Die kurzfristige Einspeicherung. Der Besitzer eines Solarparks kann mit Hilfe einer Batterie einen Teil des tagsüber generierten Stroms speichern und ihn erst abends ins Netz einspeisen – wenn die Großhandelspreise auf dem Strommarkt höher sind. Windparks wiederum können den Strom einer turbulenten Nacht für folgende windarme Stunden vorhalten. Bislang rechneten sich solche Speicher nur mit staatlicher Förderung, aber die fallenden Batteriepreise ändern die Kalkulation.
„Interessantes Geschäftsmodell“
Von diesen Kurzzeit-Speichern profitieren nicht nur die Anlagenbetreiber, sondern auch das Klima und die Verbraucher. Bislang verfiel „überschüssiger“ Strom oft ungenutzt, etwa wenn Windparks in der Nordsee an stürmischen Tagen mehr Strom produzierten, als die Leitungen transportieren konnten. An windarmen Tagen hingegen müssen teure und schmutzige Kohlekraftwerke einspringen, um die benötigte Leistung sicherzustellen. Und Solaranlagen haben das grundsätzliche Problem, dass sie nachts keinen Strom produzieren… weiterlesen