Für friedliche Sabotage und Blockaden
Für friedliche Sabotage und Blockaden
zeit.de: Der Koalitionsvertrag verfehlt das 1,5-Grad-Ziel, sagen Fridays for Future. Reicht es, dagegen auf die Straße zu gehen? Ein Gespräch über Frust und radikalere Aktionen
Die neue Bundesregierung ist seit wenigen Tagen vereidigt, mit ihren Klimaschutzplänen sind Fridays for Future aber schon jetzt unzufrieden. Seit drei Jahren demonstriert die Bewegung auf der Straße. Reicht das nicht mehr? Darüber spricht ze.tt mit einer Sprecherin der Fridays-for-Future-Ortsgruppe in Frankfurt am Main. Sie will in diesem Interview nicht namentlich genannt werden, weil sie in der Vergangenheit bereits Anfeindungen erlebt hat, nachdem sie sich öffentlich äußerte. Sie spricht für ihre Ortsgruppe, nicht als Einzelperson. Um sie zu schützen, heißt sie hier Sara.
ze.tt: Klimaaktivist:innen haben in den vergangenen Monaten viel demonstriert: während des Bundestagswahlkampfes, der Weltklimakonferenz, den Koalitionsverhandlungen. Mit den Ergebnissen sind Sie nicht zufrieden. Reicht es noch, auf die Straße zu gehen?
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Sara: Anfangs war ja unser Motto: Wir streiken, bis ihr handelt. Wir haben jetzt drei Jahre lang gestreikt und es hat sich trotzdem nicht viel getan. Gleichzeitig wird die Klimakrise immer dringender. Diese Legislaturperiode ist die letzte, in der wir noch etwas verändern können. Wir rasen immer schneller auf Kipppunkte zu. Danach wird es beinahe unmöglich, die Klimakrise noch vernünftig aufzuhalten. Deshalb sehen wir uns mittlerweile zu einem radikaleren Handeln gezwungen – aus der Not heraus, weil wir sehen, was für Schäden und Katastrophen auf uns zukommen.
ze.tt: Das klingt nach Aussagen, wie man sie in letzter Zeit von Carla Reemtsma oder Tadzio Müller gehört hat. Radikalisiert sich die Klimabewegung gerade?
Sara: In meiner Ortsgruppe haben wir diese Interviews natürlich gelesen und waren erst mal überrascht. Nicht wegen ihrer Aussagen, sondern weil es das erste Mal ist, dass diese Radikalisierung öffentlich besprochen wird. Intern gibt es diese Diskussionen schon länger. Wir sehen mittlerweile eine Notwendigkeit, selbst zu handeln, um die Emissionen zu senken – zum Beispiel, indem man aktiv in die materielle Infrastruktur eingreift. Wir sehen das durchaus als legitimes Mittel des Protests.
ze.tt: In die materielle Infrastruktur eingreifen – was heißt das?
Sara: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das zu tun: Sabotage, zum Beispiel von Kohlebahngleisen, um sie unbrauchbar zu machen. Oder Blockaden mit Hilfsmitteln oder dem eigenen Körper, indem man sich zum Beispiel auf die Gleise der Kohlebahn setzt, wie das Ende Gelände bereits getan hat, um Kohlekraftwerke an ihrer Arbeit zu hindern. Das Ziel solcher Protestmittel ist, die klimaschädlichen Emissionen durch das eigene Handeln unmittelbar zu senken. Ein anderes Ziel ist natürlich, verstärkt politischen Druck aufzubauen. Das haben wir die vergangenen Jahre auch auf der Straße versucht, sind damit aber nicht sehr weit gekommen. Deshalb setzen wir mit den Aktionen vor allem auf die Einschränkung der Emissionen.
ze.tt: Das klingt ganz so, als hätten Sie schon konkrete Pläne.
Sara: Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es schon im kommenden Jahr radikalere Aktionsformen geben, von Fridays for Future und der gesamten Klimagerechtigkeitsbewegung. Im Einzelnen gab es die ja schon, zum Beispiel Waldbesetzungen. Wir würden uns wünschen, dass Lösungen von der Politik kommen. Dann bräuchte es auch keinen zivilen Ungehorsam. Das hat in der Vergangenheit aber nicht funktioniert und wir setzen auch mit der neuen Bundesregierung nicht darauf.
ze.tt: Aber kann ziviler Ungehorsam wirklich Emissionen senken? Nach Räumung der Blockade geht es ja im Kohlekraftwerk weiter wie gehabt.
Sara: Natürlich können wir damit nur kurzfristig in die Abläufe einzugreifen und es ist unrealistisch, dass wir die komplette fossile Infrastruktur lahmlegen. Aber wir hoffen, damit langfristig eine Art Kettenreaktion auszulösen: Wenn es kontinuierlich immer mehr Blockaden gibt, summieren sich diese Emissionssenkungen und wirtschaftlichen Schäden. Das schreckt Investor:innen ab und kann letztendlich dazu führen, dass das Geschäft mit fossilen Energieträgern unrentabel wird… weiterlesen