Geoengineering: Sonnenbrille für die Erde

Geoengineering: Sonnenbrille für die Erde
Foto: Pixabay CC/PublicDomain/Pexels

Geoengineering: Sonnenbrille für die Erde

mdr.de: Am Wetter rumspielen, das ist nicht nur ein alter Traum der Menschheit, sondern auch bis zu einem gewissen Grad machbar. Man kann es zum Beispiel regnen lassen – oder die Stärke des Sonnenscheins beeinflussen. Eine Idee, die durch die Klimakrise an Fahrt aufgenommen hat. Die Zeit ist knapp, warum also nicht dafür sorgen, dass die Sonne die Erde etwas weniger aufheizt? Solares Geo-Engineering heißt das. Aber wie gut ist die Idee?

So vom Solaren Geoengineering zu erzählen, hat etwas ungemein Befriedigendes an sich. Es gehen einem einfach nicht die Metaphern aus. Die prominentesten sind diese: Wir setzen der Erde eine Sonnenbrille auf und damit dem Klimawandel etwas entgegen. Wir ziehen die halbdurchlässigen Vorhänge vor der Sonne zu und dann ist Ruhe im Karton. Wir tragen auf den Planeten etwas Sonnencreme auf. Oder wir bringen am Treibhaus Erde ein paar Jalousien an. Vielleicht auch: Wir verabreichen unserem Planeten eine Ibuprofen gegen Kopfschmerzen vom Sonnenstich und schon legt sich das Klimaleid.

Aber von Anfang an: Zunächst war da dieser Vulkan, der Pinatubo auf den Philippinen. Nach seinem Ausbruch 1991 hatte man festgestellt, dass von der Freisetzung von Schwefeldioxid-Aerosolen die ganze Welt etwas hatte. Die Partikel ergaben in der Stratosphäre – also der zweiten Atmosphärenschicht, in etwa zwischen 15 und fünfzig Kilometern Höhe – die besagte Sonnenbrille, eine verspiegelte sozusagen: Ein Teil der Sonnenstrahlung wurde an den Partikeln reflektiert, die Temperatur auf der Erde kühlte ein halbes Grad ab. Ähnliche, minimale Effekte lassen sich sogar beim unliebsamen Saharastaub beobachten.

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Was ein Vulkan kann, was Saharastaub kann, das kann die Menschheit schon lange. Und ein halbes Grad – na, das wäre ja schon mal was im Kampf gegen den Klimawandel: „Natürlich geht es beim Solaren Geoengineering jetzt nicht darum, Vulkane zum Ausbrechen zu bringen, aber es geht um dasselbe Prinzip. Es geht um kleine, reflektierende Partikel in der Stratosphäre, wo tatsächlich Millionen von Tonnen dieser Partikel Billionen von Tonnen von CO2 wettmachen könnten. Also kleinste Mengen.“ Diese Klarstellung kommt von Gernot Wagner, österreichisch-amerikanischer Klimaökonom an der Columbia Business School in New York. Wagner hat dem Thema vor einigen Jahren ein ganzes Buch gewidmet. Und es dauert nicht lange, da erwähnt er einen Zielkonflikt, der seit einigen Jahren immer wieder von sich reden macht: „Also die Arktis ist heute ungefähr ein halbes Grad wärmer als sie es gewesen wäre, hätten wir in Europa, Deutschland, Nordeuropa, nicht Schwefeldioxid von den Schornsteinen entfernt.“

Schon allein aus gesundheitlichen Beweggründen gibt es an der Maxime, die Atemluft sauber zu halten, nichts zu rütteln, dieser Überzeugung ist auch Wagner. Macht nur leider den praktischen Nebeneffekt der Kühlung zunichte, aber genau da könnte man jetzt ja nachhelfen. Eben, indem man Schwefeldioxidpartikel in die Stratosphäre bringt, etwa mit einem Helium- oder Heißluftballon oder Militärjets. Derartige Überlegungen sind sogar noch älter als der Ausbruch des Pinatubo. Nun weiß man von Schwefeldioxid, dass es die Ozonschicht schädigt. Deshalb gibt es noch andere Ideen, Aluminiumdioxid etwa oder Calciumcarbonat, also Kalk. „Teilweise geht es tatsächlich auch in die Richtung von Diamantenstaub“, erklärt Wagner. „Klingt vielleicht romantisch, ist es in diesem Fall nicht.“

Ob aus Schwefel, Alu oder Diamant – wie die Sonnenbrille der Erde nun genau beschaffen sein muss, ist also noch nicht ganz geklärt. Die Frage, die besonders nach dem Winter viele beschäftigen dürfte, ist: Würde ein solches Vorhaben im wahrsten Sinne des Wortes die Freude an der Frühlingssonne trüben? Gernot Wagner entwarnt: „Es geht darum, die Sonne zu verdunkeln in so einem Ausmaß, dass kaum jemand davon wirklich etwas merken würde. Sonnenaufgänge und -untergänge könnten eventuell etwas roter sein. So wie sie es auch jetzt sind, durch bodennahe Luftverschmutzung.“ Ja, Romantikerinnen und Romantiker haben ein Faible für Smog und vielleicht künftig auch fürs Solare Geoengineering.

Und sie hätten lange etwas davon: „Ich muss es sehr lange machen“, sagt Wilfried Rickels, Ökonom am Kieler Institut für Weltwirtschaft und Professor für technischen Klimaschutz an der Uni Kiel. „Das heißt, solange die CO2-Konzentration zu hoch ist, also die Ursache des Klimawandels nicht behoben ist, muss ich immer wieder Solares Geoengineering machen. Und zweitens, ich kann das Klima nicht einfach zurückdrehen. Denn der Einsatz kompensiert den Klimawandel nur teilweise.“ Allerdings wäre es auch nicht teuer, eine Volkswirtschaft wie die Vereinigten Staaten könnte so eine Verdunklungsaktion wahrscheinlich entspannt aus dem Haushalt stemmen. Das Magazin Riffreporter zitiert hier den Havard-Physiker Frank Keutsch, der schätzt, dass sich mit zehn bis zwanzig Milliarden Euro die Erde um ein halbes Grad abkühlen lassen würde. Das entspräche dem Umsatz der weltweiten Kaugummi-Industrie.

Billig und effektiv – wie ein normales Schmerzmittel eben

Das Unterfangen würde sich wohl durchaus bezahlbar machen. Länder könnten auf diese Weise nicht nur die eigene Bevölkerung schützen, sondern vor allem auch die Wirtschaft am Laufen halten: „Dass man einfach auch in der Mittagszeit vielleicht noch arbeiten kann, beziehungsweise in Ländern des Globalen Südens oder Indien dann zu gewissen Zeiten draußen arbeiten kann“, so Rickels. Natürlich ist Solares Geoengineering auch eine große Verlockung, das leidliche Klimathema zumindest für einen Teil erstmal erledigt zu wissen. „Und da muss man leider sagen, ist die Wahrscheinlichkeit für einen globalen Einsatz unter der derzeitigen Trump-Administration deutlich größer geworden“, mutmaßt Rickels. Die Europäische Union sollte hingegen – um bei einer glaubwürdigen Strategie zu bleiben – das Thema, wenn, dann zusammen mit der technischen Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre denken… weiterlesen

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