Nach der Krise aus unseren Fehlern lernen

Nach der Krise aus unseren Fehlern lernen
Während die Soforthilfen für Unternehmen in der Coronakrise anlaufen, kommt auch die Debatte um mögliche Konjunkturpakete zum Wiederaufbau der Wirtschaft allmählich in Fahrt. Unternehmensgrün als Bundesverband der grünen Wirtschaft schlägt einen Transformationsfonds vor, um den Neustart der Wirtschaft mit sozialen Aspekten und Umwelt- und Klimaschutz zu verbinden. Im Gespräch mit globalmagazin nennt Vorstandsmitglied Mathias Kollmann (Geschäftsführer der Bohlsener Mühle) Details zum Konzept.
Nachdenken über den Neustart nach der Krise, regt Unternehmensgrün an: Mit welchem Fokus?
Mathias Kollmann: Wir haben in dieser Krise bildhaft vor Augen geführt bekommen, wo die Schwachstellen des bisherigen Systems liegen: Die Globalisierung mit ihren im Billiglohnsektor zentrierten Fertigungsprozessen hat uns Versorgungsengpässe beschert, die wir haben vorausahnen können, vor denen wir aber die Augen verschlossen haben. Wir müssen über Re-Regionalisierung nicht nur nachdenken, wir müssen aktiv unsere Prozesse in die Regionalität zurückholen. Das geht in mehr Bereichen, als wir vor der Krise glauben wollten – estes Beispiel sind die in Deutschland gefertigten behelfsmäßigen Mund-Nase-Schutzmasken.
Solidarisch und ökologisch soll die Wirtschaft werden: Reich Ihnen die „soziale Marktwirtschaft“ nicht mehr?

Die soziale Marktwirtschaft in ihrer derzeitigen Ausprägung ist nicht zukunftsfähig. Ihre Pole liegen viel zu weit auseinander, um solidarisch, gemeinwohlorientiert und ökologisch zu wirken. Die soziale Marktwirtschaft muss sich weiter entwickeln, hin zu Solidarität und Ökologie, um die soziale Schere nicht bis zum Zerbrechen weiter auseinander klaffen zu lassen. Es muss ein gesellschaftliches Umdenken vorangetrieben werden, eine realistische Wahrnehmung der Wertigkeit von Produkten und Produktion, von Konsum und seiner Auswirkung. Wir müssen uns der Implikationen unserer Entscheidungen viel bewusster werden und dafür Verantwortung übernehmen – unternehmerisch wie privat.
Kooperation im Regionalen wieder mehr stärken
Sie selbst setzen auf mehr Regionalität: Wie genau soll das gehen, wenn heute doch Lieferketten die ganze Welt umspannen?
Dazu gehört für uns der Ausbau von regionalen Lieferketten. Als Beispiel: Die Bohlsener Mühle bezieht bereits über 70 Prozent unserer Rohstoffe aus Deutschland. In Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten bauen wir auch Feldfrüchte, die nicht heimischen Ursprungs sind hier an (z.B.Quinoa), oder holen Rohstoffe, die der Weltmarkt mit seinen niedrigen Preisen nach Übersee verdrängt hat, nach Norddeutschland zurück (etwa Leinsaat und Sonnenblumenkerne). Die Re-Regionalisierung, die Rückholung von Waren und Rohstoffen ins Produktionsumfeld, muss und wird für eine Sensibilisierung für wahre Preise sorgen. Die Auswirkungen, die umweltzerstörerisches und damit auch wirtschaftlich nicht zukunftsfähiges Handeln hat, müssen sich in der Preisstruktur wieder finden.
Heißt das auch, dass Sie am Primat der Ökonomie rütteln, wenn Sie an unsere Gesellschaft denken: Warum und was wird anders werden müssen?
Am Primaten der Ökonomie zu rütteln, ist hier bei nicht unser Ziel. Ökonomie ist Ökonomie – aber wir müssen hinterfragen, wie wir ihre Werkzeuge vernünftig nutzen. Die Ausrichtung auf Gewinnmaximierung um jeden Preis ist nicht zukunftsfähig. Das war sie auch noch nie. Die Auswirkungen bekommen wir heute und künftig sehr deutlich zu spüren. Ökonomisch zu handeln im Sinne von Gemeinwohl und Solidarität hingegen ist der Weg zu Resilienz und Erfolg in der Zukunft – wirtschaftlich und gesellschaftlich.
pit