Warum Reiche den größeren CO2-Abdruck haben

Warum Reiche den größeren CO2-Abdruck haben
2050.de: Nicht nur die Größen der Geldbeutel unterscheiden sich stark auf dieser Welt – auch die der CO2-Fußabdrücke. Unsere Autorinnen fordern deshalb: Neue Lösungen, jetzt!
Schlamm und Gewalt zwischen Polizei und Protestierenden und ein riesiger Kohlebagger – Anfang des Jahres waren die Medien voll von Bildern aus Lützerath, einem kleinen Dorf in Nordrhein-Westfalen, das für eine riesige Kohlegrube des Energiekonzerns RWE weichen musste. Jahrelang hatten Klimaaktivist*innen den Ort zuvor besetzt, um das zu verhindern. Ganz Deutschland konnte zuschauen, wie sich der Konflikt um die Klimaziele zugespitzt, wie sich Endzeitstimmung ausgebreitet hat. Eine Woche später und nur 50 Kilometer entfernt: das Kontrastprogramm. Auf der Düsseldorfer Messe „Boot 2023“ herrscht gute Stimmung. Mit orchestraler Musik wird eine der neuesten Superjachten enthüllt. Strahlend weiß kommt das 3,5 Millionen Euro teure Schiff unter dem schwarzen Vorhang hervor. Auch drumherum wird vom Klima gesprochen. Hier eher als Problem der Zukunft – nicht der Gegenwart.
„Wir interessieren uns für die Superjacht. Wir haben ein Haus in Málaga und wollen dort ein bisschen Spaß als Familie haben“, erzählt ein Mann um die 50, grau meliertes Haar, hellrosa Rollkragenpullover, der sich gemeinsam mit seiner Tochter ein anderes Schiff zeigen lässt. Um die acht Millionen Euro kostet das gute Stück. Er erzählt von seinem Wunsch, dass die Hersteller*innen der Superjachten die Motoren auf E-Fuels, Wasserkraft oder Strom umrüsten würden: „Das wird kommen. Keine Eile, es braucht Zeit“, sagt er. Die Menschen, die bei Fluten in Pakistan, Nigeria oder im deutschen Ahrtal ihre Häuser verloren haben, könnten so einen Satz nicht sagen. Sie könnten auch nicht auf ihrer Superjacht vor dem steigenden Meeresspiegel davonschippern. Die Klimakrise drängt. Und Reichtum ist ein Problem.
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Das Symbol perverser Ungleichheit
In der Zwischenzeit verbrauchen große Superjachten pro Stunde bis zu 2000 Liter Sprit, volltanken kostet hier schnell mal mehr als eine Million Euro. „Die 300 größten Superjachten emittieren im Jahr mehr CO2 als die über zehn Millionen Einwohner Burundis“, rechnet der französische Wissenschaftler Grégory Salle vor, der ein Buch über Superjachten geschrieben hat. Am besten für die Umwelt wäre es, Superjachten zu verbieten, findet er. Dabei sind Superjachten eigentlich noch nicht mal das Problem. Sie sind Symbol des Problems. Ein Symbol der gewaltigen Ungleichheit zwischen Arm und Reich – weltweit, aber auch innerhalb der europäischen Länder. Vermögen ist in unserer Welt ungleich verteilt. Verdammt ungleich!
Gemeint ist alles, was in Geld bewertet werden kann, Bargeld, Schecks, Grundstücke, Schmuck, Fahrzeuge und so weiter. Extrembeispiel: Der reichste Mensch der Welt ist momentan der Franzose Bernard Arnault. Er ist CEO eines Konzerns, dem unter anderem Luxusmarken wie Louis Vuitton und die neue Jacht von der Messe in Düsseldorf gehören. Arnault hat Elon Musk auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen überholt, sein Vermögen wird auf 191,3 Milliarden Dollar geschätzt. Wenn die Luxusmarken verdienen, verdient Arnault mit. Pro Tag mehrere Millionen Dollar. Gleichzeitig leben Hunderte Millionen Menschen von weniger als 2,15 Dollar pro Tag.
Pervers! Und seit Langem bekannt. Trotzdem wird es nicht besser, wird die Kluft nicht kleiner. Auch nicht in Ausnahmezeiten. Während der Coronakrise haben die reichsten Menschen der Welt ihr Vermögen verdoppelt – gleichzeitig ist zum ersten Mal in 25 Jahren die Zahl derer, die in extremer Armut leben, wieder gestiegen. Und Deutschland gehört, was die Vermögensungleichheit angeht, zu den traurigen Spitzenreitern. Während jeder vierte Mensch hier gar kein Vermögen besitzt oder sogar Schulden hat, verfügt das reichste eine Prozent der Bevölkerung pro Person über ein Nettovermögen von mindestens 1,3 Millionen Euro.
Der Unterschied, der die Umwelt zerstört
Das alles ist nicht nur unfair. Es ist auch klimaschädlich. Warum? Vera Huwe erklärt es. Die Ökonomin forscht in Oxford zum Zusammenhang von Ungleichheit und Klima. Sie sagt, das Verhalten reicher Menschen sei aus zwei Gründen problematisch: Erstens ist der Lebensstil vermögender Personen sehr energieintensiv und produziert damit sehr viele Emissionen – schwere Autos, große Wohnungen, weite Flüge – Reiche lieben Mobilität und Platz. Und zweitens besitzen sie Unternehmen und können dadurch zum Beispiel entscheiden, mit wie viel Energieaufwand Produkte in Deutschland hergestellt werden. Oder ob in den Wohnungen ihrer Immobilien mit Gas oder einer Wärmepumpe geheizt wird. Klimarelevantes Vermögen nennt Huwe das.
Und das führt dazu, dass nach Daten des Pariser „World Inequality Lab“ das reichste eine Prozent in Deutschland pro Kopf und Jahr bis zu 200 Tonnen CO2-Äquivalente emittiert. Um zu verstehen, wie krass das ist, kurzer Reminder: Wenn wir das Pariser Klimaziel erreichen wollen, müssten Menschen in Deutschland durchschnittlich weniger als zwei Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr emittieren. Die Hälfte der Bevölkerung ist dabei auf gar keinem so schlechten Weg, sie verursacht immerhin weniger als zehn Tonnen pro Jahr. Die oberen zehn Prozent der Vermögensverteilung verbrauchen dagegen das Vier- bis Fünffache, also etwa 45 Tonnen, und die superreichen 0,1 Prozent? Bis zu 800 Tonnen pro Jahr und Jahr!
Kein unendlicher Konsum auf einem endlichen Planeten
Eine Ungleichheit, die in einer demokratischen Gesellschaft nicht tragbar ist. Und wenn wir es mit der 1,5-Grad-Grenze ernst meinen, können wir uns den Lebensstil der Superreichen schlicht und ergreifend nicht mehr leisten. Bedeutet: dass Luxuskonsum staatlich eingeschränkt werden sollte, zum Beispiel.
Vera Huwe zeigt verschiedene Möglichkeiten auf, wie genau das gehen könnte. Ein Steuersatz, der mit jeder Nutzung steigt, wäre eine Möglichkeit. Danach würde etwa der erste Flug mit 50 Euro besteuert, der zweite mit 75 Euro, der dritte mit 100 Euro und so weiter. Progressive Besteuerung nennt man das. Zusätzlich könnte politisch festgelegt werden, dass jeder Mensch nicht öfter als x-mal im Jahr fliegen darf… weiterlesen