Indigene: Unverzichtbar im Kampf gegen Klimawandel
Indigene: Unverzichtbar im Kampf gegen Klimawandel
Von Darío Aranda, poonal
“Die besten Bewahrer der Wälder” – so bezeichnete die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) die indigenen Völker Lateinamerikas und stützt sich dabei auf einen Bericht, der mehr als 300 Studien aus zwei Jahrzehnten zusammenfasst. Darin wird festgestellt, dass indigene Gemeinden trotz der Rohstoffpolitik der jeweiligen Regierungen von entscheidender Bedeutung im Kampf gegen den Klimawandel, Unterernährung und Armut sind. Und das, obwohl sie bei diesen lebenswichtigen Themen selten einbezogen werden. „Wir wissen bereits, wie man den Wald schützt. Die Politik sollte sich informieren“, sagte Rachuka Rete vom Volk der Mbya, die in den Grenzgebieten Argentiniens, Paraguays, Uruguays und Brasiliens leben.
„Indigene und in Stämmen lebende Völker und Waldbewirtschaftung“ heißt der Bericht, der darauf hinweist, dass die Territorien der indigenen Völker Lateinamerikas derzeit zwischen 330 und 380 Millionen Hektar Urwald umfassen und die höchste Artenvielfalt des Kontinents aufweisen. Mehr als 80 Prozent der von indigenen Völkern bewohnten Fläche seien von Wäldern bedeckt, zudem liege fast die Hälfte (45 Prozent) aller bestehenden Wälder in indigenen Gebieten. Die FAO betont, dass Wälder zur Stabilisierung des regionalen und globalen Klimas beitragen, enorme biologische Reichtümer enthalten und Heimat alter Kulturen sind.
Für die indigenen Völker birgt der Bericht keine Überraschungen
Jachuka Rete – der Mbya-Name von Jorgelina Duarte – ist einer der Koordinator*innen von Aty Ñeychyrõ, einer traditionellen Organisation des Volkes der Mbya-Guaraní in Misiones, Argentinien. Sie begrüßt den Bericht der FAO, sagt aber auch, dass er etwas belege, was die indigenen Völker bereits wüssten: „Es ist wichtig, dass es wissenschaftlich, durch konkrete Zahlen bewiesen ist, aber es nichts Neues, dass wir die besten Beschützer*innen des Waldes, des Wassers und des Bodens sind.“ Obwohl es in den westlichen Kulturen keine geeigneten Vergleiche gibt, versucht Jachuka Rete zu erklären, was der Wald für das Volk Mbya und für sie als Mitglied der Tamandua-Gemeinde bedeutet: „Für uns es ist unser Zuhause, dort entwickeln wir uns als Mbya; es ist auch unsere Apotheke, Schule, Universität und Supermarkt.“ Der teko, die Lebensweise der Mbya-Guaraní, werde im Wald entwickelt. Deshalb würden sie dieses Gebiet auch bis aufs Äußerste verteidigen.
Mauro Millan von der Gemeinde Pillan Mawiza der Mapuche im argentinischen Chubut betont, dass der Schutz des Territoriums, egal ob Wald, Seen, Flüsse oder Berge, in der traditionellen indigenen Lebensweise präsent ist: „Im Volk der Mapuche gibt es unterschiedliche Lebensarten und Ansichten, aber wenn es eines gibt, das uns alles verbindet, dann ist es die Anerkennung und der Respekt vor den Gesetzen der Natur. Anders als in anderen Kulturen erkennen wir Mapuche die Rechte der Natur an. Deshalb ist es unser ideologischer und philosophischer Grundsatz, für das Territorium zu kämpfen und es zu schützen.“
Indigene Territorien permanent durch Extraktivismus bedroht
Der Bericht der FAO bestätigt die Bedrohung der indigenen Territorien durch extraktive Aktivitäten, insbesondere durch Agrarindustrie, Großtagebau und Öl- und Forstaktivitäten. Jachuka Rete, die auch Abgeordnete des Kontinentalrats der Guaraní-Nation ist, der sich aus Gemeinden aus Argentinien, Paraguay, Uruguay und Brasilien zusammensetzt, fasst es zusammen: „Die größte Bedrohung für die Wälder und die indigenen Völker ist der übersteigerte Anspruch des Menschen, der sich im Extraktivismus ausdrückt, hier in Misiones beispielsweise in der Monokultur von Kiefern.“
Die fortgeschrittene Rodung des Territoriums der Gemeinde Tekoa Ka’a Kupe der Mbya-Guaraní durch das Unternehmen Carba S.A. Ende Mai veranschaulicht diesen Konflikt. Seit zwei Jahrzehnten fordert die Gemeinde den Stopp der Abholzung ihres Territoriums und kritisiert die Verstrickung des lokalen Umweltministeriums und des Gouverneurs der Region in die extraktivistischen Aktivitäten.
Staaten sollen indigene Bevölkerung unterstützen
Der regionale FAO-Vertreter Julio Berdegué attestiert den indigenen und den in Stämmen lebenden Völkern „eine entscheidende Rolle bei globalen und regionalen Klimaschutzmaßnahmen und im Kampf gegen Armut, Hunger und Unterernährung. Der Verlust eines Großteils dieser indigenen Wälder würde das regionale und globale Klima grundlegend verändern.” Der Bericht der Vereinten Nationen, die in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsfonds für indigene Völker (Filac) erstellt wurde, legt den Schwerpunkt seiner Analyse auf die indigenen Völker Amazoniens, weitet die Empfehlungen und Schlussfolgerungen aber auf alle Völker des Kontinents aus. Er fordert die Staaten dazu auf, indigene Völker zu unterstützen, zu stärken und einzugreifen, um das Eindringen von Unternehmen in indigene Gebiete zu unterbinden. Eine grundlegende Aufgabe der Regierungen sei es, den Gemeinden Landtitel für ihre Territorien zu geben. Obwohl es Gesetze gebe, die die indigenen Völker fördern, seien es in den allermeisten Fällen die Staaten selbst, die sich nicht an diese Vorschriften halten.
Indigener Widerstand geht weiter trotz staatlicher und industrieller Gewalt
Jachuka Rete betont, dass es den indigenen Völkern nicht nur darum gehe, den Ort zu verteidigen, an dem die Gemeinden leben: „Wir kämpfen immer noch für die gesamte Menschheit. Die Zerstörung der indigenen Gebiete ist eine Gefahr für uns alle. Unser Widerstand gilt der Verteidigung des Lebens aller Menschen.“
Auch Mauro Millan unterstreicht, dass die indigenen Völker weiterhin die Territorien verteidigen werden, sei es ob als “mapu” für die Mapuche oder als “Biodiversität” für die Naturschützer*innen oder Akademiker*innen. Er prophezeit aber auch einen „ewigen Konflikt“ mit dem Staat und den Regierungen, die den Großtagebau, die Ölförderung, die Agrarindustrie und große Infrastrukturarbeiten unterstützen und fördern. Diesbezüglich stellt er fest: „Egal, ob eine rechte, zentrische oder linke Regierung an der Macht ist, sie agiert als Verwalterin einer extraktiven Politik, die der Verteidigung entgegen stehen, die wir indigene Völker in unseren Territorien betreiben.“
Sowohl die FAO als auch die indigenen Völker weisen darauf hin, dass Regierungen und Unternehmen mit Gewalt auf den Widerstand der indigenen Gemeinden reagieren. Laut der FAO wurden zwischen 2015 und 2019 insgesamt 232 Führungspersönlichkeiten indigener Gemeinden in Lateinamerika wegen Landstreitigkeiten ermordet.
Es braucht politische Maßnahmen und Investitionen
In ihren Schlussfolgerungen stellt die FAO fest: „In einer Zeit, in der aufgrund von Covid-19 eine der schlimmsten gesundheitlichen, wirtschaftlichen und humanitären Krisen der Geschichte herrscht, mag der Klimawandel weit weg erscheinen. Aber der Klimawandel droht genauso gefährlich zu werden, wenn nicht sogar gefährlicher, als die Pandemie selbst.“ Die Organisation fordert politische Maßnahmen und Investitionen, die die Erholung nach der Pandemie unterstützen und gleichzeitig zur Abschwächung und Bewältigung der Klimakrise beitragen und bekräftigt, dass die Zusammenarbeit mit den indigenen Völkern zum Schutz der Wälder in ihren Territorien diese Kriterien erfüllt.
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