Klimaschutz am Bau: „Fehler der Gegenwart korrigieren“

Klimaschutz am Bau: „Fehler der Gegenwart korrigieren“
Foto: moerschy/PixabayCC/PublicDomain

Klimaschutz am Bau: „Fehler der Gegenwart korrigieren“

taz.de: Lamia Messari-Becker ist Expertin für nachhaltiges Bauen. Sie erklärt, worauf es dabei ankommt und wie sich das mit bezahlbarem Wohnen vereinen lässt.

wochentaz: Frau Messari-Becker, wenn Sie ein Gebäude der Zukunft planen würden, wie sähe das aus?
Lamia Messari-Becker Foto: E. Santifaller

Lamia Messari-Becker: Technisch betrachtet müsste es mehrere Elemente vereinen: möglichst keinen Abfall und keinen CO2-Ausstoß in der Herstellung oder im Betrieb verursachen und möglichst energieautark sein – nicht unbedingt für sich, sondern eingebettet im Quartier. Eine Ansammlung nachhaltig geplanter Gebäude macht noch kein nachhaltiges Stadtquartier aus.

Darf es auch schön sein?

Absolut. Das sollte es sein. Menschen identifizieren sich mit ihrem Gebäude und ihrem Quartier, wenn diese nachhaltig und schön sind. Bauen stiftet Identität. Sozial nachhaltig ist ein Gebäude auch, wenn es gerne und lange genutzt wird, etwa indem flexible Grundrisse Umnutzungen erlauben.

Der Bausektor steht weltweit für 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen, für 40 Prozent Energieverbrauch, für 50 Prozent Ressourcenverbrauch, für 60 Prozent Ab­fall­aufkommen und für 70 Prozent Flächenversiegelung. Das sind niederschmetternde Zahlen.

Und ich ergänze: Der Bausektor liefert 100 Prozent unseres sozialen Lebensraums. Keine andere Branche greift so stark in Ihren und meinen sozialen Lebensraum. Es gibt daher keine Transformation ohne Bausektor, ohne Architektur, ohne Baukultur.

Wo setzen Sie an?

Ganzheitlichkeit ist die Antwort. Rohstoffe sind knapp und endlich, wir müssen sie so sparsam wie möglich einsetzen und im Kreislauf halten. Also Bauprodukte so konzipieren, dass man sie wiederverwenden kann. Im Moment bauen wir Rohstoffe ab und hinterlassen der Natur eher Abfall. Abfall sollte es nicht mehr geben, Abfall ist eine Ressource. Wir müssen die Verfahren so durchdenken, dass eine ressourcenbewusste Kreislaufwirtschaft im Bau etabliert wird. Das ist keine einfache Aufgabe.

Das ist eine Revolution.

Es ist ein Bauen, das die Fehler der Gegenwart korrigieren kann. Wir denken: Indem wir immer mehr dämmen, immer mehr Technik einbauen, bauen wir nachhaltiger. Das verbessert vielleicht den Betrieb der Gebäude, siehe energieeffiziente Neubauten. Aber nimmt man den Lebenszyklusgedanken ernst, wird klar, dass man die Umwelteffekte nur verschiebt: vom Betrieb in die Herstellung der Gebäude.

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Weil sie in der Herstellung viele Materialien verbrauchen?

Eben. Alles, was Sie einbauen, um im Betrieb effizient zu sein, kostet mehr Material, mehr Technik und damit wieder mehr Rohstoffe. Und deshalb dürfen wir uns nicht länger nur auf die Heizung im Betrieb konzentrieren, sondern müssen auch die Herstellungsphase bedenken. Stichwort: CO2-Footprint und graue Energie – in diesen Zeiten eigentlich goldene Energie. Ein Ressourcenausweis setzt hier an. Er erfasst die Aufwände im Zyklus eines Gebäudes.

Bauwirtschaft ist Privatwirtschaft. Rohstoffe werden teurer, es gibt Material- und Personalengpässe. Es geht um Geld. Daneben gibt es unzählige staatliche Vorgaben. In jedem Bundesland, jeder Kommune gilt etwas anderes. Beide Bereiche bewegen sich starr, schwerfällig nebeneinanderher. Wie bekomme ich mehr Synergieeffekte?

Die Immobilienbranche ist immobil, im wahrsten Sinne des Wortes. Ein mächtiger, aber langsamer Dampfer. Wir brauchen mehr als einen Schlepper, um die Richtung zu verändern… weiterlesen

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