Weiterer Teilerfolg im Südtiroler Pestizidprozess

Weiterer Teilerfolg im Südtiroler Pestizidprozess
Foto: Oliver Oppitz

Teilerfolg im Südtiroler Pestizidprozess: Alle Anzeigen gegen Karl Bär wegen übler Nachrede zurückgezogen

Im Südtiroler Pestizidprozess ist der Vorwurf der üblen Nachrede gegen Karl Bär vom Tisch: Am fünften Verhandlungstag in Bozen zog nun auch der letzte verbliebene Kläger seine Anzeige gegen den aktuell für sein Bundestagsmandat freigestellten Mitarbeiter des Umweltinstituts München zurück. Offen ist nach wie vor der Vorwurf einer angeblichen Markenfälschung. Das abschließende Urteil in dem seit September 2020 andauernden Prozess gegen Bär wird nun am nächsten Verhandlungstag, dem 6. Mai 2022, erwartet. Bär war 2017 wegen seiner Kritik am hohen Pestizideinsatz in den Apfelplantagen der beliebten Urlaubsregion Südtirol vom dortigen Landesrat Arnold Schuler sowie von mehr als 1370 Landwirt:innen wegen übler Nachrede und Markenfälschung angezeigt worden.

Karl Bär: “Nach eineinhalb Prozessjahren ist es endlich so weit: Die Südtiroler Obstwirtschaft sucht den Dialog, statt an unhaltbaren Klagen festzuhalten. Wir sind sehr erfreut, dass Dr. Gritsch seinen Strafantrag zurückgezogen hat, um so eine konstruktive Diskussion außerhalb des Gerichtssaales zu ermöglichen.”

Anwalt Nicola Canestrini, der Karl Bär gemeinsam mit Francesca Cancellaro vor Gericht vertritt, zeigt sich ebenfalls zufrieden: “Die sich nun abzeichnende Einstellung der Verfahren wäre ein starkes Zeichen für die Meinungs- und Informationsfreiheit in ganz Europa.”

Im Oktober 2020 hatte der Europarat die Klagen gegen Pestizidkritiker in Südtirol als strategische Klage und damit als Angriff auf die Meinungsfreiheit eingestuft. Besondere Brisanz erhält diese Einstufung durch die heutige Aussage von Tobias Gritsch, er habe sich durch Landesrat Arnold Schuler genötigt gesehen, den Strafantrag gegen Karl Bär und andere Pestizidkritiker zu unterzeichnen. Im weiteren Verlauf des Prozesses hätte Arnold Schuler ihn dann mehrfach bedrängt, den Strafantrag wieder zurückzuziehen, so Gritsch. 

“Der Vorwurf der Nötigung zu einer Verleumdungsklagen wiegt sehr schwer: Wenn die Südtiroler Regierung ihre Bürgerinnen und Bürger wirklich als juristische Manövriermasse genutzt haben sollte, um unliebsame Kritik an ihrer Agrarpolitik zu unterbinden, würde dies ein hochproblematisches Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeit offenbaren. Jetzt muss restlos aufgeklärt werden, ob tatsächlich Menschen genötigt worden sind, sich dem Prozess gegen meinen Mandanten anzuschließen. Sollte sich der Verdacht bestätigen, handelt es sich um einen handfesten Skandal”, so Rechtsanwalt Nicola Canestrini. 

Das Umweltinstitut wird indes die Diskussion um Pestizide außerhalb des Gerichts fortführen. Die Umweltschutzorganisation wertet derzeit die Betriebshefte fast aller Obstbäuerinnen und -bauern aus, die ursprünglich Anzeige gegen Karl Bär erstattet hatten. Diese wurden im Prozess dem Umweltinstitut auf Antrag der Staatsanwaltschaft als Beweismittel zur Verfügung gestellt. Die Hefte enthalten Angaben darüber, welche und wie viel Pestizide diese im Jahr 2017 verwendet haben. „Wir planen, die Ergebnisse der Auswertung dieser Daten über Pestizideinsätze auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit Vertreter:innen der Obstwirtschaft in Südtirol zu präsentieren und gemeinsam zu diskutieren. Wir würden uns freuen, wenn auch Dr. Gritsch an dieser Veranstaltung teilnähme“, so Bär. 

Hintergrund zum Prozess gegen Karl Bär:

Anlass der Klage gegen Karl Bär vom Umweltinstitut München war die provokative Aktion „Pestizidtirol“ im Sommer 2017. In deren Rahmen platzierte die Münchner Umweltschutzorganisation ein Plakat in der bayerischen Hauptstadt, das eine Tourismus-Marketing-Kampagne für Südtirol sowie die Südtiroler Dachmarke satirisch verfremdete (“Pestizidtirol” statt “Südtirol”). Zusammen mit einer Website hatte die Aktion zum Ziel, auf den hohen Pestizideinsatz in der beliebten Urlaubsregion aufmerksam zu machen. In den Apfelplantagen Südtirols werden nachweislich große Mengen an natur- und gesundheitsschädlichen Pestiziden ausgebracht.  (Quelle: Umweltinstitut)

red

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