Wohnung oder Wald – Baum oder Bude

Wohnung oder Wald – Baum oder Bude

zeit.de: „Wir brauchen jede Grünfläche in der Stadt“ – In Hamburg besetzen Umweltschützer Bäume, die Neubauten weichen sollen. Günstige Wohnungen könnte die Stadt auch anders schaffen, sagt ein Aktivist im Interview.

Hamburg fällt Bäume, um Platz zu schaffen für Wohnungen und Büros. Dagegen regte sich in dieser Woche an gleich zwei Orten Protest. In St. Pauli kletterten Aktivisten der Initiative St. Pauli Code ins Geäst, um die Fällung von 21 Bäumen zu verhindern, die einem mehrgeschossigen Bürogebäude weichen sollten. In Altona kämpften Umweltschützer und Anwohner für den Erhalt von 27 Bäumen, Hintergrund ist der Bau eines Wohnheims für Auszubildende der Sparkasse. In St. Pauli beendete die Polizei den Protest schnell, die Bäume fielen. In Altona stehen steht die Rodnung noch an. Neu ist er nicht, der Streit um Bauprojekte, für die Freiflächen in ohnehin dicht besiedelten Vierteln geopfert werden. Dabei gäbe es Alternativen zur Nachverdichtung, meint Michael Heering, Sprecher der Initiative „Rettet Hamburgs Grün“.

ZEIT ONLINE: Am Mittwochnachmittag wurden die ersten Bäume am Alsenplatz gefällt. Trotzdem waren Sie am nächsten Morgen wieder vor Ort und haben Bäume besetzt, später riefen Sie zu einer Kundgebung auf. Besteht tatsächlich noch Hoffnung, den Bau des Wohnheims zu stoppen?

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Michael Heering: Leider nicht. Das Grundstück ist  verkauft und die Haspa wird ihre Rechte durchsetzen. Wir können mit dieser Baumbesetzung nur darauf hinweisen, dass es in Zukunft so nicht weitergehen kann in Hamburg. Es werden ja ständig Bäume für Bauvorhaben gefällt.

ZEIT ONLINE: Wer beteiligt sich an der Initiative Green Alsenplatz?

Heering: Es sind viele Anwohner und Umweltschützer dabei. Die Initiative Green Alsenplatz ist Teil des Bündnisses „Rettet Hamburgs Grün“, in dem sich verschiedene Organisationen engagieren. Im September haben wir beim Senat die Volksinitiative „Rettet Hamburgs Grün – Klimaschutz jetzt!“ eingereicht, die das Ziel hat, Grünflächen von über einem Hektar vor Bebauung zu schützen. Die 10.000 benötigten Unterschriften hatten wir bereits nach drei Monaten zusammen. Das zeigt: Viele Hamburger beschäftigt der Umweltschutz in ihrer Stadt.

ZEIT ONLINE: Die Haspa lässt nun Dach und Außenfassade des neuen Wohnheims begrünen. Sind Sie mit diesem Entgegenkommen zufrieden?

Heering: Überhaupt nicht. Flächen wie der Alsenplatz sind dazu da, dicht bebaute Stadtteile zu belüften. Das funktioniert einfach nicht, wenn man sie bebaut. Der Alsenplatz ist Teil des grünen Netzes und müsste renaturiert werden. Erst letztes Jahr im Juni hat Hamburg den „Vertrag für Hamburgs Stadtgrün“ unterzeichnet. Darin verpflichtet sich der Senat zum Erhalt eines Grünanteils in der Stadt. Dass jetzt, nur sieben Monate später, der Umbau des Alsenplatz beginnt, ist aus unserer Sicht ein Verstoß gegen dieses Abkommen. Das können wir nicht akzeptieren.

ZEIT ONLINE: Wie könnte eine Lösung für den Alsenplatz aussehen, mit der Sie zufrieden wären?

Heering: Eine Möglichkeit für einen Kompromiss sehen wir nicht. Der Alsenplatz dürfte einfach nicht bebaut werden. Bei rund 40 Prozent Flächenversiegelung in Hamburg brauchen wir jede Grünfläche zur Naherholung. Wir müssen entsiegeln, nicht weiter versiegeln.

ZEIT ONLINE: Spielt man damit nicht Umweltschutz und soziale Teilhabe in begehrten Lagen – denn das ist ja letztlich ein Wohnheim für einkommensschwache Menschen wie Auszubildende – gegeneinander aus?

Heering: Nein. Wir haben ja keine Wohnraumnot in Hamburg. Wir haben einen Mangel an bezahlbaren Wohnungen, aber das ist auf eine verfehlte Politik des Senats zurückzuführen. Ende der 1970er Jahre gab es 400.000 Sozialwohnungen in Hamburg, davon sind heute keine 80.000 mehr übrig. Zwar plant der Senat, jährlich 3.000 Sozialwohnungen zu bauen, gleichzeitig fallen aber mehr als 3.000 jedes Jahr weg… weiterlesen

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